Frauen* im NS-Widerstand

Für das Denkmal „5 vor 12. Unerhörter Widerstand“ wurden 52 Audiofiles zu Frauen* im Widerstand gegen das NS-Regime entwickelt. Die Frauen* werden hier biografisch näher vorgestellt. Bei der Auswahl der im Projekt vorkommenden Frauen* wurde darauf geachtet, die Bandbreite unterschiedlicher Widerstandsformen gegen das NS-Regime in Oberösterreich zu thematisieren. Die Beispiele umfassen den Alltagswiderstand, den organisierten Widerstand, den religiösen Widerstand und den Widerstand von Verfolgten.

Die Recherchen für die Audiodateien des Denkmals basieren fast ausschließlich auf dem Buch „Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938–1945“ von Elisa Frei, Martina Gugglberger und Alexandra Wachter. Das Buch ist im Buchhandel oder im Landesarchiv erhältlich und kann hier als PDF heruntergeladen werden: Download Buch

Die Forschung zu Frauen* im NS-Widerstand in Oberösterreich soll fortgesetzt werden. Wenn Sie über weiteren Quellen zu widerständigen Frauen* verfügen, wenden Sie sich bitte an Martina Gugglberger: martina.gugglberger@jku.at

Rosa Altweger

 

In Schardenberg (Bezirk Schärding) waren 25 bis 30 Frauen in das örtliche Schulgebäude eingedrungen und hatten den Unterricht eines NS-treuen Lehrers gestört. Dies vermerkte die Sicherheitspolizei im täglichen Inlandslagebericht im Jänner 1940. Der Vorfall wurde als Beispiel für die „Verhetzung“ der Bevölkerung durch die Katholische Kirche bewertet. Als „Rädelsfühererin“ der Frauengruppe wurde Rosa Altweger bezeichnet. Der Grund für die organisierte Störung des Unterrichts war die kirchenfeindliche Haltung des betroffenen Lehrer, der - so die Aussage der Frauen - gegen den sonntäglichen Kirchgang gewettert hätte. Dagegen wollten Rosa Altweger, Maria Gruber, Anna Friedrich und eine Frau Fuchs gemeinsam mit weiteren Frauen mit ihrer Aktion protestierten

Die Sicherheitspolizei betrachtete die Vorwürfe gegen den Lehrer nur als Vorwand und ging vielmehr davon aus, dass die Demonstration der „oppositionellen Betschwestern“ wie die Frauen im Bericht tituliert wurden, in Zusammenhang mit dem Berufsverbot des Pfarrers Mayer stand. Diesem war kurz davor untersagt worden, Religionsunterricht zu erteilen, da ihm „staatsabträgliche Äußerungen“ vorgeworfen wurden. Im Protokoll wurde Pfarrer Mayer von den Behörden als Urheber für den Protest der Frauen vermutet.

 

Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 102. Link
DÖW (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich, Bd.2, Wien 1982, 180-181.

Rosa Bilek

 

Die am 20.08.1895 in Reichmannsdorf (Rychmanov) bei Brünn geborene Rosa Bilek (geb. Otresalova) ist eine von zahlreichen Frauen, die aufgrund von zivilem Widerstand gegen das NS-Regime interniert wurden. Die Tochter von tschechischen Landwirten und gelernte Schneiderin lebte bis zu ihrer ersten kurzen Ehe 1917 bei ihren Eltern. Diese zogen im selben Jahr nach Niederneukirchen in Oberösterreich, wo sie sich ein Bauernanwesen gekauft hatten. 1921 heiratete Rosa den tschechischstämmigen Max Bilek, der im selben Jahr die österreichische Staatsangehörigkeit erhielt. Dadurch galt auch Rosa als Österreicherin und nach der nationalsozialistischen Machtübernahme als Deutsche. Das kinderlose Ehepaar sprach im privaten Kreis, laut den vorliegenden NS-Anklage-Akten, auch nach der Einbürgerung weiterhin Tschechisch. 1941 geriet Rosa Bilek in Konflikt mit der NS-Justiz als sie von einer bekannten Familie angezeigt wurde, Adolf Hitler als “Verbrecher” bezeichnet und offen an den Siegesaussichten der deutschen Wehrmacht gezweifelt zu haben. Daraufhin wurde sie wegen „Führerbeleidigung“ und „Wehrmachtszersetzung” angeklagt. Rosa Bilek stritt die Vorwürfe ab und führte sie auf Missverständnisse aufgrund ihrer schlechten Deutschkenntnisse zurück. Letztendlich wurde Bilek im August 1942 vom Amtsgericht Linz zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt, ein Strafmaß, welches dem Reichsministerium der Justiz zu gering ausgefallen war, wie aus einem Schreiben an den Linzer Oberstaatsanwalt hervorgeht (s.62, Abb.13).  Für zukünftige ähnliche Verfahren wurde ein härteres Vorgehen verlangt und im Falle von Rosa Bilek eine neuerliche Prüfung des Verfahrens gefordert. Ob dies zu einem veränderten Strafmaß führte, ist nicht bekannt.

 

Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 61-62. Link
OÖLA, LG Linz, KMs 74/42.

Ida Blutreich

 

Ida Blutreich (Löw), 1943.
Bildquelle: Gabriella Hauch, Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder. Zum Geschlecht der Zwangsarbeit, in: Oliver Rathkolb (Hg.), NS-Zwangsarbeit: Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938–1945, Bd. 1, Köln/Wien 2001, 3

 

Ida Blutreich (geb. 1924), später verheiratete Löw, stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie in Rawa Ruska (heute Ukraine). Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 und der Eingliederung des Gebiets in das „Generalgouvernement“ für die besetzten polnischen Gebiete nahmen Ida Blutreich und ihre Freundin Anna Fränkel (geb. 1925) mithilfe von Papieren verstorbener Ukrainerinnen eine falsche Identität an. Die beiden jungen jüdischen Frauen meldeten sich 1942 zum Arbeitseinsatz ins Deutsche Reich, um der drohenden Deportation in das Vernichtungslager Belzec zu entgehen. Unter dem Namen „Katarina Leszczyszyn“ verließ Ida Blutreich im Juni 1942 ihren Heimatort und kam über Krakau und Wien in das „Durchgangslager 39“ der Hermann-Göring-Werke (HGW) im Linzer Stadtteil Bindermichl.

Im Gegensatz zu vielen anderen ukrainischen Zwangsarbeiter*innen war Ida Blutreich gut gebildet. Das löste unter ihren Landsleuten Misstrauen aus, weshalb sie eine Stelle bei SS-Sturmbannführer Karl Eberhardt und seiner Frau am Linzer Froschberg annahm. Sie arbeitete dort von September 1942 bis April 1943 und kehrte anschließend in den Lagerkomplex der HGW zurück. Ida Blutreich hielt weiter Kontakt zu ihrer Freundin Anna Fränkel, die als Zwangsarbeiterin in St. Martin in der Steiermark eingesetzt war. Schließlich wurden beide Frauen als Jüdinnen enttarnt und von der Gestapo verhört. 1944, im Alter von 20 Jahren, wurden beide in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Sie überlebten und emigrierten nach dem Krieg unabhängig voneinander nach Israel. Sowohl Ida Blutreichs als auch Anna Fränkels Erinnerungen wurden in Romanen festgehalten.

 

Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 114. Link
Niza Ganor, „Wer bist du Anuschka?” Die Überlebensgeschichte eines jüdischen Mädchens, München 1987.
Levin Meyer, Geschichte der Eva Korngold. Nach Aufzeichnungen von Ida Löw, München 1991.
Gabriella Hauch, Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder. Zum Geschlecht der Zwangsarbeit, in: Oliver Rathkolb (Hg.), NS-Zwangsarbeit: Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938–1945, Bd. 1, Köln/Wien 2001, 388–399.

 

Frieda Buchacher

Frieda Buchacher mit ihrem Sohn, 1942
Bildquelle: AStL

Friederike (Frieda) Buchacher (geb. 1910) war verwitwete Mutter dreier Kinder und arbeitete als Gehilfin bei der Reichsbahn. Sie lernte den flüchtigen Wehrmachtsdeserteur und illegalen Kommunisten Ludwig Telfner kennen und nahm in bei sich in ihrer Linzer Wohnung auf. Telfner organisierte eine kommunistische Widerstandsgruppe in Linz, für die Frieda Buchacher Texte vervielfältigte. Über ihre Dienststelle bei der Reichsbahn stellte sie außerdem für desertierte Männer der Gruppe „Münichreiter“ falsche Papiere aus.

Als Buchacher im August 1944 verhaftet wurde, kamen ihre Kinder in NS-Erziehungsheime, obwohl sich Verwandte bereit erklärt hatten, sich um diese zu kümmern. Buchacher wurde eine Liebesbeziehung zu Telfner nachgesagt, was sie offenbar vor dem Todesurteil rettete, da ihr deshalb nicht zugetraut wurde, eigenständig politisch gehandelt zu haben. Die nationalsozialistische „Oberdonauzeitung“ berichtete im März 1945: „Die Witwe Friederike Buchacher, eine Frau mit drei Kindern, die Telfner unter einem falschen Namen bei sich aufgenommen, sich sogar mit ihm verlobt und ihn bei seinen Plänen wesentlich unterstützt hatte, entging der Todesstrafe und erhielt nur sechs Jahre Zuchthaus, weil das Gericht annahm, dass sie weniger aus politischer Überzeugung, als vielmehr in einem erotischen Zwangsverhältnis zu Telfner gehandelt hatte.“

Buchacher wurde vom Volksgerichtshof wegen „Landes­ und Hochverrat[s] und Beherbergung eines Fahnenflüchtigen“ zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt und nach Kriegsende von amerikanischen Truppen aus der Haftanstalt Wels befreit.

 

Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 89. Link
OÖLA, Opferfürsorge, Sch. 282, Zl. OF-810015.
Oberdonauzeitung, 5. 3. 1945, 2.

 

Maria Ehmer

Hochzeitsfoto von Maria und Josef Ehmer, Gmunden 1929.
Bildquelle: Privat Josef Ehmer

Maria Ehmer (geb. 1910), geborene Tröstl, stammte aus einer Eisenbahnerfamilie. Sie war bereits als Kind bei den sozialdemokratischen Kinderfreunden, später beim Turnverein und der Sozialistische Arbeiterjugend aktiv. Ihr Mann Josef war SP-Funktionär. Die Eheleute lebten in Gschwandt bei Gmunden und traten 1930 gemeinsam der KPÖ bei. Da Josef Ehmer als Kommunist während der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur zweimal inhaftiert und meist arbeitslos war, musste seine Frau sich alleine um den Erhalt der Familie kümmern. Über das Netzwerk der „Roten Hilfe“ wurde sie unterstützt und erfuhr in dieser Notlage „den Zusammenhalt der kommunistischen Genoss*innen als Rettung“. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme vervielfältigte und verteilte Maria Ehmer gemeinsam mit ihrem Mann Flugblätter und weigerte sich, der NS-Frauenschaft beizutreten oder für das „Winterhilfswerk“ zu sammeln. Als Josef Ehmer 1942 in die Wehrmacht einberufen wurde, setzte sie die widerständigen Tätigkeiten alleine fort und wurde 1943 für die „Rote Hilfe“, einem illegalen kommunistischen Hilfsnetzwerk, aktiv.

Anfang Oktober 1944 wurde Maria Ehmer verhaftet und vom Gefangenenhaus in Gmunden weiter in das Frauengefängnis Kaplanhof in Linz gebracht. Ihren 15-jährigen Sohn Bruno musste sie auf sich allein gestellt in Gschwandt zurücklassen, sie war in ständiger Sorge um ihn. Wenige Tage nach ihrer Verhaftung wurde Maria Ehmer von Gestapobeamten im KZ Mauthausen verhört und dabei schwer misshandelt.

Das Frauengefängnis Kaplanhof wurde am 31. März 1945 bei einem Bombenangriff großteils zerstört. Maria Ehmer entging dabei nur knapp dem Tod. Ehmer erhielt von der Gestapo die Genehmigung zur medizinischen Versorgung im Linzer Allgemeinen Krankenhaus. Eine angemessene medizinische Behandlung erhielt sie allerdings erst nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen Anfang Mai. Ihr Sohn Bruno konnte sie nach wochenlanger Ungewissheit Mitte Mai 1945 ausfindig machen. Bis zu ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus dauerte es bis zum Spätsommer 1945.

Maria Ehmer engagierte sich nach dem Krieg im KZ-Verband und pflegte weiter engen Kontakt zu anderen Aktivistinnen im kommunistischen Widerstand. Erst im Alter begann sie ihre Geschichte in mehreren Interviews zu erzählen.

 

Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 82. Link
AStL, Nachlass Peter Kammerstätter, Interview mit Maria Ehmer.

Berger, Holzinger, Podgornik, Trallori (Hg.): Der Himmel ist blau. Kann sein. Frauen im Widerstand. Österreich 1938–1945, Wien 1985.

 

Camilla Estermann

Die Ordensschwester Camilla Estermann wurde für ihre Hilfeleistung für Kriegsgefangene 1944 hingerichtet, Datum unbekannt.
Bildquelle: Redemptoristinnen-Ordenskloster St. Anna in Ried im Innkreis

Camilla Estermann wurde am 21. Januar 1881 als Tochter von Rosa und Franz Estermann in Linz geboren. Nach der Volksschule schloss die tiefgläubige Katholikin die Ausbildung zur Näherin ab. 1907 trat sie schließlich ins Kloster der Redemptoristinnen in Ried im Innkreis ein, wo sie den Ordensnamen Maria Martina erhielt. Rund zehn Jahre später trat sie aus dem Orden aus und ging zurück nach Linz, wo sie bei ihrer Schwester in der Klammstraße 7 wohnte. In den folgenden Jahren bemühte sich Camilla Estermann mehrmals vergeblich um eine erneute Aufnahme bei den Redemptoristinnen bzw. 1924 bei den Dominikanerinnen. 1933 trat sie der Vaterländischen Front bei.

Nach der Machtübernahme des NS-Regimes in Österreich wurde Camilla Estermann als gelernte Näherin zum Arbeitseinsatz bei der Linzer Bekleidungsfirma Norbert Hager in der Langgasse 8 zugewiesen. Sie erlebte dort die ungerechte und grausame Behandlung von französischen Kriegsgefangenen, denen sie Lebensmittel, Medikamente und Kleidung zusteckte. Dabei wurde sie beobachtet und denunziert. Im November 1943 wurde Camilla Estermann vor dem Sondergericht in Linz gemeinsam mit dem gläubigen Gendarmerieinspektor Franz Heger wegen „Wehrkraftzersetzung” angeklagt, weil sie angeblich regimekritische Schriften verbreitet hätten. Die Anklage blieb vorerst ohne Konsequenzen, wurde jedoch nach dem Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit war Camilla Estermann dem Dritten Orden des Hl. Franziskus, einem Laienorden, beigetreten. Am 25. September 1944 wurde sie gemeinsam mit Franz Heger vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Franz Heger nahm alle Anklagepunkte auf sich, trotzdem wurden beide gefoltert und am 21. November 1944 am Wiener Landesgericht hingerichtet.

Die Leichname wurden am Wiener Zentralfriedhof in einem Massengrab verscharrt. Camilla Estermanns Name findet sich auf einer Gedenktafel im Hinrichtungsraum im Landesgericht für Strafsachen in Wien. In Kematen am Innbach vor dem Pfarrheim erinnert ein Bildstock an sie. Auch der Linzer WALK OF FEM ehrt ihr Andenken mit einem Namensstern.

 

Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 71-73. Link
Gansinger, Gedächtnisbuch – Camilla Estermann, Link

Ganglmair: Widerstand und Verfolgung in Linz in der NS-Zeit, in: Mayrhofer, Schuster (Hg.):
Nationalsozialismus in Linz, Bd. 2, Linz 2001, 1457.

 

Esther Feinkoch

Esther Feinkoch, ca. 1947.
Bildquelle: Privatarchiv Schatz.

Die Jüdin Esther Feinkoch (geb. 1926), stammte aus dem polnischen Łodź und lebte dort bis 1944 im vom NS-Regime für die jüdische Bevölkerung eingerichteten Ghetto. Fast ihre gesamte Familie ist im Holocaust ermordet worden. Sie selbst wurde 1944 nach der Räumung des Ghettos in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Von dort kam sie in das Arbeitslager Freiberg, ein Außenlager des KZ Flossenbürg, wo sie Zwangsarbeit in der Flugzeugherstellung leisten musste. Als 1945 die Front immer näher rückte, wurde Esther Feinkoch mit anderen Häftlingen in das KZ Mauthausen „evakuiert“. Sie war dort in einer Baracke beim Steinbruch „Wiener Graben“ untergebracht. Durch ein Loch im Zaun des Barackenlagers gelang es ihr kurz vor Kriegsende zu entkommen. Sie kam auf ihrer Flucht zu einem nahe gelegenen Bauernhof in Langenstein und klopfte an die Tür von Maria und Johann Schatz. Das Ehepaar nahm die völlig entkräftete junge Frau bis zur Befreiung durch die Rote Armee Anfang Mai 1945 in ihrem Haus auf, gab ihr frische Kleidung und zu essen.
Esther Feinkoch emigrierte nach dem Ende des NS-Regimes nach Israel, wo sie später ihren Kindern von dem Ehepaar, das sie gerettet hatte, erzählte. 1995 übergab Esther, die seit ihrer Heirat den Namen Zychlinksi trug, die Geschichte ihrer Rettung an die israelische Gedenkstätte Yad Vashem. Nach ihrem Tod im Jahre 2003 begann ihre Familie Kontakt zur Familie Schatz in Langenstein aufzunehmen, 2009 wurden Maria und Johann Schatz schließlich posthum für ihre Hilfeleistung von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 112. Link
Die Gerechten. Courage ist eine Frage der Entscheidung, Sonderausstellung der österreichischen Freunde von Yad Vashem, kuratiert von John, Lichtblau und Lindorfer.
Yad Vashem: The Righteous Among the Nations Database, Schatz Johann & Maria, righteous.yadvashem.org/?searchType=righteous_only&language=en&itemId=7111981&ind=71


Marianne Feldhammer

Marianne Feldhammer, Datum unbekannt
Bildquelle: Materialsammlung Kammerstätter

Marianne Feldhammer kam am 14. März 1909 als Tochter des ledigen Dienstmädchens Anna Kalß in Altaussee zur Welt. Dort besuchte sie die Volksschule und heiratete 1931 Karl Feldhammer, der bereits in der Arbeiterbewegung und der SPÖ aktiv war. Nach den Februarkämpfen 1934 trat er der ebenfalls verbotenen kommunistischen Partei bei. Durch ihren Mann begann auch Marianne Feldhammer sich politisch zu engagieren.

Aufgrund der jahrelangen Arbeitslosigkeit von Karl Feldhammer und dessen Verhaftungen während der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur gehörten finanzielle Sorgen zum Alltag der Familie und Marianne Feldhammer war genötigt, schwer zu arbeiten.

Während der NS-Zeit waren die Eheleute Teil des illegalen kommunistischen Widerstandsnetzwerks „Willy-Fred“. Dieses entstand ab 1943 rund um Josef Plieseis und Theresa Pesendorfer. Die Mitglieder des Netzwerkes organisierten bis Kriegsende Verstecke und Unterstützung für Deserteure sowie für aus Konzentrationslagern und Haftanstalten Entflohene. Ab April 1944 hielt sich eine Gruppe von Männern in den Bergen rund um die Blaa-Alm im sogenannten „Igel“ versteckt. Die dort Untergetauchten waren auf Hilfe aus dem Tal angewiesen. Marianne Feldhammer unterstützte die Widerstandsgruppe bei der Quartiersuche und Nachrichtenübermittlung. Sie brachte Nahrungsmittel, Tabak, Sanitätsmaterial und andere benötigte Gegenstände wie Kleidung und einmal sogar eine Waffe in ein Depot bei der Rettenbachalm. Sie war die einzige Frau, die den Weg zum „Igel“ kannte und daher selbst in Ausnahmesituationen wichtige Nachrichten dorthin überbringen konnte.

Marianne Feldhammer kochte, putzte, bügelte und wusch als Hausgehilfin in verschiedenen Häusern in der Umgebung von Bad Aussee und nutzte diese Tätigkeiten als Tarnung, um unauffällig Nahrungsmittel abzuholen oder Nachrichten zu überbringen. Die dafür notwendigen Wege legte sie schwer bepackt mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurück.

Zwischen 1943 und 1945 war das Haus von Marianne Feldhammer eine wichtige Anlaufstelle und ein Treffpunkt für die Gruppe „Willy-Fred“. Im September 1944 wurde Karl Feldhammer verhaftet, konnte aber entkommen und hielt sich versteckt. Immer wieder kehrte Karl Feldhammer jedoch tageweise zu seiner Familie zurück. Dort spürte die Gestapo ihn schließlich im Jänner 1945 auf. Beim Versuch zu fliehen, wurde er tödlich verletzt. Zu diesem Zeitpunkt war Marianne Feldhammer mit ihrem zweiten Kind schwanger, ihre Tochter Anna war damals 14 Jahre alt.

Erst in den 1980er Jahren gelangten die lange unterschätzten Leistungen von Marianne Feldhammer sowie ihrer Freundin Magdalena Egger und vielen weiteren Frauen an eine breitere Öffentlichkeit. Eine Historikerinnengruppe interviewte erstmals Widerstandskämpferinnen und veröffentlichten ihre Erzählungen. Marianne Feldhammer starb 1996.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 92. Link

AStL, Nachlass Peter Kammerstätter, Interview mit Elsa Moser, Leni Egger und Marianne Feldhammer.
Feldhammer/ Egger, Schlau wirst schon, wennst in Gefahr bist, in: Berger, Holzinger, Podgornik, Trallori (Hg.): Der Himmel ist blau. Kann sein. Frauen im Widerstand. Österreich 1938–1945, Wien 1985104–113.
Kammerstätter: Materialsammlung über die Widerstands- und Partisanenbewegung Willy-Fred. Freiheitsbewegung im Oberen Salzkammergut – Ausseerland 1943–1945. Ein Beitrag zur Erforschung dieser Bewegung, Linz 1978.

Cäcilia Fischill

Cäcilia Fischill, Ort und Datum unbekannt.
Bildquelle: AStL, Nachlass Peter Kammerstätter

Cäcilia Fischill wurde am 25.9.1905 als viertes Kind der Familie Schöringhumer in Wels geboren. Kommunistische und sozialdemokratische Ideen bestimmten das politische Umfeld, in dem sie aufwuchs. Sie arbeitete als Schneiderin bis sie aufgrund ihrer politischen Gesinnung gekündigt wurde. Über ihren Bruder lernte sie ihren damaligen Freund Karl Ammer kennen, welcher die „Welser Gruppe“ der Roten Hilfe leitete. Diese Organisation unterstützte politisch verfolgte Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen und deren Familien. Über Ammer trat die 23-Jährige 1928 in die Rote Hilfe ein.

Um 1935 ging Cäcilia Fischill nach Jersey, UK, und arbeitete dort als Haushaltshilfe. Sie lernte Englisch und arbeitete zeitweise als Schneiderin. Fischill vermisste jedoch zunehmend ihre Heimat Österreich, weshalb sie Ende 1938 zurück ins mittlerweile nationalsozialistische Linz reiste.

Mit verschiedenen Aktivitäten beteiligte sie sich in den Folgejahren am Widerstand der ab 1933 verbotenen Roten Hilfe. Sie versteckte Munition und Gewehre für Aktivist*innen, verteilte Flugzettel, organisierte Wohnungen für illegale Treffen und sammelte Spenden. Aufgrund der zunehmenden Verfolgung und nach der Verhaftung ihres Bruders, der ebenfalls illegal tätig war, wurde aus Vorsicht nur noch in 5-er-Gruppen gearbeitet, damit so wenig Mitglieder wie möglich voneinander wussten.
Am 7.9.1944 wurde Cäcilia Fischill im Rahmen einer Verhaftungswelle politischer Gegner*innen des NS-Regimes festgenommen. Ihr Ehemann wusste bis dahin nichts von ihren Aktivitäten und war von der Verhaftung völlig überrascht. Gemeinsam mit anderen Widerständskämpfer*innen wurde Cäcilia Fischill schließlich ins Frauengefängnis Kaplanhof in Linz überstellt. Wie andere Gefangene wurde sie misshandelt, geschlagen und gedemütigt, ihre Haare wurden im Gefängnis geschoren. Ende 1944 wurden Fischill sowie andere Mitglieder der Roten Hilfe regelmäßig zu Verhören ins KZ Mauthausen gebracht, wo Misshandlungen und psychische Gewalt auf der Tagesordnung standen. Über einen Zeitraum von sechs Wochen wurde Cäcilia Fischill verhört, einige Nächte war sie im KZ Mauthausen eingesperrt. Auf Gesuch ihres Ehemannes wurde sie schließlich im März 1945 freigelassen.

In den Nachkriegsjahren war Cäcilia Fischill eine langjährige Aktivistin der Welser KPÖ. Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte sie ab 1992 im städtischen Alters- und Pflegeheim, wo sie am 8. Jänner 1998 starb.


Quellen
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 42 u. 81. Link
BiografiA, Cäcilia Fischill, http://biografia.sabiado.at/fischill-caecilia/
AStL, Nachlass Peter Kammerstätter, Interview mit Cäcilia (Zilli) Fischill.

 

Olga Afanasjewa Gribkowa

Olga Gribkowa (r.) in Steyr, 1944.
Bildquelle: Privatarchiv Borjaschynowa

Olga Afanasjewa Gribkowa (geb. 1925) stammte aus der Stadt Slawjansk im Osten der Ukraine. Gribkowa war als Stanzerin tätig, als sie im April 1943 mit anderen Jugendlichen ihres Jahrgangs von den deutschen Besatzern zwangsrekrutiert wurde. Sie kam in die Steyr-Daimler-Puch-Werke in Steyr und musste als Schleiferin in einer unterirdischen Rüstungsfabrik arbeiten.

Olga Gribkowa war laut eigenen Angaben in Österreich Mitglied einer sowjetisch-russischen Widerstandsgruppe, für die sie Flugblätter verteilte und Kurierdienste verrichtete. Einmal fuhr sie mit ihrer österreichischen Freundin Hedwig Brunnsteiner (geb. 1923) von Steyr aus zum KZ Mauthausen, um Nachrichten der Widerstandsgruppe zu übermitteln. Die Fahrt nach Mauthausen war für Gribkowa sehr riskant, da es ihr als „Ostarbeiterin“ verboten war, das Zwangsarbeiter*innen-Lager zu verlassen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Im Falle einer Verhaftung musste sie außerdem mit besonders harten Strafen rechnen. Gribkowas widerständige Handlungen blieben jedoch bis zuletzt unentdeckt. Um die Osterzeit des Jahres 1945 wurde sie aufgrund der herannahenden sowjetischen Armee nach Linz in die Hermann-Göring-Werke versetzt. Bis zu ihrer Befreiung im Mai 1945 durch amerikanische Truppen arbeitete sie dort als Schleiferin. Im August desselben Jahres wurde sie zurück in die Sowjetunion gebracht und für 25 Jahre nach Sibirien verbannt. Ihr wurde wie vielen anderen „Ostarbeiter*innen“ und Kriegsgefangenen unterstellt, mit dem NS-Regime kollaboriert zu haben. Im Jahr 1970 konnte Olga Gribkowa, nun verheiratete Bojarschynowa, das Lager in Sibirien verlassen. Sie zog mit ihrem zweiten Ehemann und vier ihrer insgesamt sechs Kinder nach Primorsk (Ukraine) und war dort als Bauarbeiterin tätig.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 116. Link
Hauch: Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder. Zum Geschlecht der Zwangsarbeit, in: Rathkolb (Hg.): NS-Zwangsarbeit: Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938–1945, Bd. 1, Köln/Wien 2001, 378–381.


Karoline Hartl

Karoline Hartl (geb. 1893) wuchs als viertes von sechs Kindern des Bauernehepaares Würtinger in Geinberg auf. Dort besuchte sie auch die Volksschule, bevor sie mit ihren Eltern nach Utzenaich im Bezirk Ried im Innkreis übersiedelte. Ihre Eltern, Leopold und Maria Würtinger hatten dort einen Bauernhof gekauft, auf dem Karoline mitarbeitete. Im Alter von 26 Jahren brachte sie ihren unehelichen Sohn Siegfried Alfons Würtinger zur Welt. Nach ihrer Heirat mit Josef Hartl 1933 bekam sie 1936 die elterliche Landwirtschaft überschrieben. 1939 kam ihre Tochter Karoline auf die Welt. Als ihr Mann im Jahr 1941 starb, musste sie die Landwirtschaft alleine weiterführen.

Im Herbst 1943 kursierten Gerüchte, wonach Karoline Hartl Zwangsarbeiter*innen auf ihrem Hof ausländische Radiosender hören ließ, und es wurden Ermittlungen gegen sie eingeleitet. Seit September 1939 war das Abhören ausländischer Sender vom NS-Regime verboten worden. Der Leiter des Sicherheitsdienstes in Ried beobachtete Karoline Hartl heimlich durch ein Fenster des Hofs, dass sie gemeinsam mit einer weiteren Frau BBC London hörte. In seinem Bericht beanstandete er außerdem ihr freundschaftlich-lockeres Verhältnis zu den ausländischen Zwangsarbeiter*innen am Hof.

Hartl wurde am 15. Oktober 1943 festgenommen und in die Haftanstalt des Landgerichts Linz gebracht. Sie sagte aus, den „Londoner Sender“ nur nebenbei und versehentlich gehört zu haben. In den Ermittlungsunterlagen findet sich auch eine Einschätzung von Karoline Hartls politischer Zuverlässigkeit. Ihr wurde die Unterstützung für die Vaterländische Front während der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur und ihr lockerer Umgang mit den bei ihr eingesetzten Zwangsarbeiter*innen vorgeworfen.

Vom Sondergericht in Linz wurde Karoline Hartl zu 15 Monaten Zuchthaus verurteilt. In das Strafmaß war auch eine frühere Anzeige wegen einer illegalen Schlachtung einbezogen worden. Bis Anfang Februar 1944 verbüßte sie die Haft im Linzer Landgericht und kam dann in das Frauenzuchthaus Aichach in Bayern, wo sie Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb leisten musste. Im Oktober 1944 wurde sie auf Ansuchen ihres Bruders, der sie dringend als Arbeitskraft für die Landwirtschaft brauchte, frühzeitig aus der Haft entlassen.

Nach 1945 bemühte sich Hartl bei der Opferfürsorgestelle um Anerkennung als politisches Opfer des NS-Regimes. Ihre Ansuchen um finanzielle Zuwendung und die Ausstellung eines Opferfürsorgeausweises wurden aufgrund der erwähnten Verurteilung wegen Schwarzschlachtens abgelehnt.

 

Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 57. Link
Gansinger, Gedächtnisbuch – Karoline Hartl, https://ku-linz.at/fileadmin/user_upload/Forschung/Jaegerstaetter-Institut/Bilder/GBOOE_2023_Hartl_Karoline.pdf
OÖLA Opferfürsorge, Sch. 2, 359/47; 2 Js 1227/43, KLS 348/43

Anna Herlitz

 

Die Welser Geschäftsfrau Anna Herlitz kam bei einem Besuch ihrer Patentochter und deren Ehemann auf den ersten Bombenangriff auf Wels vom 30. Mai 1944 zu sprechen. Sie äußerte sich in diesem Zusammenhang abschätzig über hohe NS-Funktionäre. In einer Niederschrift aus der Nachkriegszeit gab sie an, den NS-Propagandaminister Joseph Goebbels und den Gauleiter August Eigruber als „Gauner“ und „Lügner“ beschimpft zu haben. Außerdem habe sie ihr Unverständnis über das Fortdauern des Kriegs ausgedrückt, „wo wir doch alle verloren sind“. Sie bemerkte nicht, dass die Gäste ihre Meinung nicht teilten. Erst als sie zur Gestapo in Linz vorgeladen wurde und der Gestapobeamte Johann Haller ihre Äußerungen wortwörtlich vorlegte, wurde ihr klar, dass sie denunziert worden war.

Wer Kritik am Regime gegenüber anderen Personen äußerte, riskierte, strafrechtlich verfolgt zu werden. Frauen wie Anna Herlitz wurden oft nach dem sogenannten „Heimtückegesetz“ (Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform vom 20. Dezember 1934) angeklagt und verurteilt. Dieses stellte die Kritik an Führungspersonen und Einrichtungen des NS-Staates unter Strafe. Dazu gehörte etwa das Erzählen von Witzen oder das Schimpfen über den „Führer“.

 

Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 59. Link
AStL, Nachlass Peter Kammerstätter, Sch. 12.

Maria Hermentin

Maria Hermentin, Datum unbekannt.
Bildquelle: Schlossmuseum Freistadt

Maria Hermentin (geb. 1903) war verheiratet mit Ludwig Hermentin, dem Anführer einer Widerstandsgruppe in Freistadt. Die sogenannte „Freistädter Gruppe“ entstand im Frühsommer 1944. Die Gruppe bestand aus NS-Gegner*innen verschiedener politischer Überzeugungen, die Mehrheit der beteiligten Personen ist allerdings dem christlich-sozialen Lager zuzuordnen. Ziel war die Wiederherstellung eines freien, vom Deutschen Reich unabhängigen Österreich, weshalb sich die Mitglieder auch Gruppe „Neues freies Österreich“ nannten. Während die männlichen Mitglieder organisatorische Vorbereitungen für den Einmarsch der alliierten Truppen trafen, Spendengelder sammelten und Kurierdienste verrichteten, ist die Beteiligung von Frauen an den Widerstandsaktivitäten vor allem durch gespendete Geldbeträge belegt. Mit den Spenden wurden Angehörige von KZ-Häftlingen und ehemalige Inhaftierte, die nach der Haftentlassung ohne Einkommen waren, unterstützt.

Am 10. Oktober 1944, einen Tag nach der Verhaftung ihres Mannes, wurde auch Maria Hermentin von dem Gestapobeamten Johann Haller festgenommen und in einer Einzelzelle des Freistädter Bezirksgerichts untergebracht: „Ich fürchtete mich, allein in einer Zelle zu sein, und wollte in die Zelle der Männer, doch wurde mir von Haller ein Stoß versetzt, sodaß ich vor der Zelle zu Boden stürzte.“

Maria Hermentin wurde nie angeklagt. Sie sollte schon Anfang Februar 1945 aus der Haft entlassen werden, blieb aber laut eigenen Aussagen „aus Gehässigkeit der Gestapo“ bis April 1945 inhaftiert. Bei ihrer Entlassung erfuhr sie, dass ihr Mann zum Tode verurteilt worden war. Daraufhin versuchte sie so schnell wie möglich, eine „Sprecherlaubnis“ für das Gefangenenhaus des Landgerichts Linz zu bekommen, wo ihr Mann inhaftiert war.

Erst am 30. April durfte sie ihren von den Folterungen der Gestapo schwer gezeichneten Mann besuchen. Er ahnte bereits, dass er bald hingerichtet werden würde. Sie hingegen berichtete in einem Interview noch Hoffnung gehabt und ihren Mann ermutigt zu haben: „‚Ihr kommt heim. Das Urteil wird nicht vollzogen. Der Krieg ist aus.‘ Ein Faustschlag schloß mir den Mund. Grobe Fäuste langten nach meinem Mann. Die Tür klirrte zu.“ Es war dies die letzte Begegnung Maria Hermentins mit ihrem Mann, der bereits am nächsten Tag, am 1. Mai 1945, am Trefflinger Schießplatz erschossen wurde. Alle drei Söhne der Hermentins kamen als Soldaten im Zweiten Weltkrieg ums Leben, nur die Tochter Theresia, die beim Roten Kreuz in Wien tätig war, überlebte den Krieg. Es ist ein Zeitungsausschnitt aus dem „Mühlviertler Boten“ aus dem Jahr 1946 erhalten, auf dem Maria Hermentin neben einem Bericht über die Frauen der „Freistädter Gruppe“ ihre eigene familiäre Tragödie in einer Notiz ausdrückte: „4 Kinder von uns waren eingerückt, 1 kehrte heim.“


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 97. Link

Rappersberger: Die Widerstandsgruppe „Neues freies Österreich“ in Freistadt 1944/45 und ihr Schicksal, in: Freistädter Geschichtsblätter 11 (1997), Das Schicksalsjahr 1945 in Freistadt, 2. Teil.
OÖLA, SD, Sch. 105, ZI. 923/45.
DÖW, 14899/e, 13; 11561.


Aloisia Hofinger

Aloisia Hofinger bei der Feldarbeit, Walding, ca 1940.
Bildquelle: Privatarchiv Schober

Aloisia Hofinger (geb. 1922) wuchs in ärmlichen Verhältnissen in einer Arbeiterfamilie in Walding bei Linz auf. Als Magd auf einem Bauernhof verliebte sie sich in den polnischen Zwangsarbeiter Josef Gowdek und wurde von ihm schwanger. Freundschaftliche und vor allem intime Beziehungen mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen waren laut NS-Vorschriften streng untersagt. Oft reichte bereits eine Verdächtigung für eine Verhaftung. Nach einer Denunziation wurden auch Aloisia Hofinger und Josef Gowdek verhaftet und verhört. Aloisia Hofinger wurde bis zur Geburt ihrer Tochter Anfang Juli 1942 frei gelassen, und vier Monate später von der Gestapo erneut festgenommen: „Ich bin noch schnell zu meinem Kind gelaufen, um Abschied zu nehmen. Ich wusste ja nicht, was mit mir geschehen wird“, erinnerte sich Aloisia Hofinger in ihrem Jahre später verfassten Bericht „Eigene Gedanken zu meiner KZ-Haft“.

Hofinger wurde nach Linz zur Gestapo gebracht und von dort in das Frauen-KZ Ravensbrück überstellt. Josef Gowdek wurde ebenfalls festgenommen und nach schweren Misshandlungen hingerichtet. In Ravensbrück musste sie den „roten Winkel“ an ihrer Kleidung tragen, mit dem „politische Häftlinge“ gekennzeichnet wurden. Aber auch Frauen, die aufgrund von „Rundfunkdelikten“, der Hilfe für Verfolgte, „Sabotage“ oder wegen „verbotenen Umgangs“ inhaftiert waren, wurden zu dieser Gruppe gerechnet.

Aloisia Hofinger berichtet, dass sie im Lager zunächst Arbeiten wie Kohle schleppen oder Straßenkehren verrichten musste: „Und immer die Aufseherin dabei, meistens eine zweite mit einem Schäferhund und die Peitsche durfte nicht fehlen.“ Als „Glück“ empfand sie die Zuweisung zur Zwangsarbeit im Siemenslager, das sich außerhalb des Lagers befand, nun musste sie nicht mehr stundenlang in der Kälte arbeiten. Vor den Schlägen und Hieben der Aufseherinnen war sie aber auch hier nicht sicher. Ihre kleine Tochter, die sie bei den Bauersleuten zurücklassen musste, starb während ihrer Haft. Am 20. November 1943 wurde Aloisia Hofinger nach etwas mehr als einem Jahr in Ravensbrück entlassen.

Frauen, die aufgrund „verbotenen Umgangs“ im Nationalsozialismus verfolgt wurden, waren nach ihrer Rückkehr aus der Haft oft mit Vorurteilen konfrontiert und stigmatisiert worden. Auch Aloisia Hofinger schrieb über ihre Scham und das Unbehagen: „Es war ja so furchtbar, man war ja von der Gesellschaft ausgeschlossen. Endlich ist die Zeit gekommen, das [sic!] ich heimfahren konnte. Es war dann alles so fremd und so leer.“ Hilfreich war die Unterstützung ihrer ehemaligen Arbeitgeber*innen, zu denen sie zurückkehren konnte. Sie arbeitete weiterhin auf dem Bauernhof bis sie im April 1945 einen Bauern heiratete und Mutter von drei Kindern wurde.

Erst in der Pension bekommt sie schließlich eine Zusatzrente von der Firma Siemens als symbolische Entschädigung für geleistete Zwangsarbeit.


Quellen
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 68. Link
Wachter, Gedächtnisbuch – Aloisia Hofinger, https://ku-linz.at/fileadmin/user_upload/Forschung/Jaegerstaetter-Institut/Bilder/GBOOE_2023_Hofinger_Aloisia.pdf
Wege nach Ravensbrück, Aloisia Hofinger, www.wegenachravensbrueck.net/current/hofinger/1.html

Maria Huemer und Maria Ganhör

Maria Ganhör mit ihrem Sohn
Bildquelle: Kammerstätter, Materialsammlung

Maria Ganhör war das einzige Kind aus der ersten Ehe von Maria Huemer (geb. 1900). Sie wurde als Maria Wagner am 15. August 1920 in Wolfsegg im Hausruckviertel geboren. Nach dem frühen Tod ihres Vaters heiratete ihre Mutter erneut, die Familie übersiedelte nach Ried im Innkreis, später nah Bad Ischl.

Maria Wagner absolvierte eine zweijährige Fachschule für Weißnähen und Kleidermachen und war 1938 Schwesternschülerin für Säuglingspflege im Riesenhof in Linz. Sie war unter anderem als Erzieherin in einem Kinderheim in Gleink tätig, wo sie ihren späteren Ehemann, den Lehrer Walter Ganhör kennenlernte. Das Paar heiratete 1941 und zog nach Bad Ischl. Am 3. August 1941 kam ihr Sohn Peter Ganhör auf die Welt. Nur wenige Monate später fiel ihr Ehemann als Soldat im Zweiten Weltkrieg. In Bad Ischl kam sie in Kontakt mit der illegalen kommunistischen Bewegung und war seit 1942 Mitglied der KPÖ.

Sowohl Maria Ganhör als auch ihre Mutter Maria Huemer waren schließlich ab 1943 im Widerstandsnetzwerk „Willy-Fred“ im Salzkammergut engagiert. Über Resi Pesendorfer tauchte der flüchtige Kommunist Sepp Plieseis vorübergehend bei den beiden Frauen unter. Darüber hinaus erledigte Maria Ganhör Kurierdienste und versorgte die Gruppe um Plieseis mit Lebensmitteln, die sie sammelte und an ausgemachten Depots hinterlegte. Ihren kleinen Sohn nahm sie bei ihren Tätigkeiten oft zur Tarnung mit. Ihre Mutter Maria Huemer arbeitete in einer Wäscherei und nutzte ihre Dienststelle als Ort, an dem Waren und Nachrichten für die Widerstandsgruppe ausgetauscht wurden.

Nach dem Krieg heirateten Maria Ganhör und Sepp Plieseis. Sie arbeitete zunächst als Schneiderin und war dann bis zur Pensionierung für die Bezirksleitung der KPÖ als Sekretärin tätig. Viele Jahre war sie auch im Landesvorstand des KZ-Verbandes aktiv. Sie starb am 9. Jänner 2004.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 90. Link
Kammerstätter: Materialsammlung über die Widerstands- und Partisanenbewegung Willy-Fred. Freiheitsbewegung im Oberen Salzkammergut – Ausseerland 1943–1945. Ein Beitrag zur Erforschung dieser Bewegung, Linz 1978., 325–326.
Berger, Holzinger, Podgornik, Trallori (Hg.): Der Himmel ist blau. Kann sein. Frauen im Widerstand. Österreich 1938–1945, Wien 1985, 165.

 

Maria Huemer

 

Maria Huemer (geb. 1897) war nach ihrer Heirat mit Anton Huemer 1920 Landwirtin in Unterstiftung im Bezirk Urfahr-Umgebung. Das Ehepaar bekam acht Kinder, drei Söhne wurden im Zweiten Weltkrieg in die Wehrmacht eingezogen, ein Sohn fiel im März 1943. Im Oktober 1943 beschuldigte der Aushilfspostbote Maria Huemer ihm die Verwendung des „Deutschen Grußes“ untersagt zu haben. Die Bäuerin hätte außerdem gegen Adolf Hitler geschimpft und sein baldiges Ende prophezeit. Als Grund für ihre Ablehnung hätte sie die wirtschaftliche Not und den Kriegseinsatz ihrer drei Söhne vorgebracht.

Wer Kritik am Regime gegenüber anderen Personen äußerte, riskierte, strafrechtlich verfolgt zu werden. Frauen wie Maria Huemer wurden oft nach dem sogenannten „Heimtückegesetz“ (Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform vom 20. Dezember 1934) angeklagt und verurteilt. Dieses stellte die Kritik an Führungspersonen und Einrichtungen des NS-Staates unter Strafe. Dazu gehörte etwa das Erzählen von Witzen oder das Schimpfen über den „Führer“.

Die Beschuldigte wurde verhaftet, in ihrer Vernehmung widersprach Maria Huemer den Aussagen des Postboten. In der Anklageschrift wurde die Familie Huemer als politisch unzuverlässig eingeschätzt, und Maria Huemer zur Last gelegt, dass sie nicht Mitglied der NS-Volkswohlfahrt war. Außerdem wurde angemerkt, dass in ihrer Verwandtschaft Personen im Zusammenhang mit der sogenannten „Österreichischen Freiheitsbewegung“, einem Zusammenschluss von katholisch-konservativen Widerstandsgruppen, inhaftiert waren. Zudem sei sie „aufsässig und böswillig“ und zeige keine „Opferwilligkeit“. Die ihr in den Mund gelegten Äußerungen wurden als geeignet gesehen, „das Vertrauen des deutschen Volkes zur politischen Führung zu untergraben“. Erschwerend betrachtete das Gericht den Umstand, dass Maria Huemer Adolf Hilter selbst kritisiert hatte und ihm die Schuld am Tod ihres Sohnes gab. Sie wurde im März 1944 auf Grundlage des sogenannten „Heimtückegesetzes“ zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 60. Link

DÖW, 13.581.

Frau Jungreuthmayr

 

Der Fall der Familie Jungreuthmayr aus Wallern im Kreis Grießkirchen ist durch eine Meldung des Sicherheitsdienstes (SD) vom Jänner 1943 überliefert. Der SD war der nationalsozialistische Nachrichtendienst, der die Bevölkerung beobachtete und politische Opposition und Kritik, aber auch religiöse Aktivitäten meldete. Wer Kritik am Regime gegenüber anderen Personen äußerte, riskierte, strafrechtlich verfolgt zu werden. Dies wurde auch der Familie Jungreuthmayr zum Verhängnis.

Als der Ortsgruppenleiter und der Ortsbauernführer von Wallern den Bauersleuten Jungreuthmayr die Nachricht vom Tod ihres Sohnes im Krieg überbrachten, versetzte die Bäuerin dem Ortsgruppenleiter eine Ohrfeige und warf den Überbringern der Nachricht vor: „Ihr habt die Schuld, dass es so weit gekommen ist.“ Beide Eheleute und deren Tochter beschimpften zudem die Vertreter des NS-Staates als „Gauner, Verbrecher, Bagage“. Nach dem Vorfall wurden staatspolizeiliche Maßnahmen eingeleitet und der Bauer Johann Jungreuthmayr in Schutzhaft genommen.

Oft wurden derartige Vorfälle als Anlass für eine Anklage nach dem sogenannten „Heimtückegesetz“ (Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform vom 20. Dezember 1934) verwendet. Dieses stellte die Kritik an Führungspersonen und Einrichtungen des NS-Staates unter Strafe. Dazu gehörte etwa das Schimpfen über den NS-Politiker.

Das NS-Regime holte regelmäßig aus den Bezirken Lageberichte ein, um die Stimmung der Bevölkerung einschätzen zu können. Der Bericht des SD über die Familie Jungreuthmayr schließt mit den Worten: „Wenn tätliche Beleidigungen Politischer Leiter in solchen und ähnlichen Zusammenhängen bisher nicht zu verzeichnen waren und auch als Einzelfälle besonderer Art angesprochen werden können, geben sie doch Zeugnis von den in Gegnerkreisen herrschenden Auffassungen und der sich mit längerer Dauer des Krieges mehr und mehr steigenden Gereiztheit und Animosität gegen die Partei.“


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 58. Link
DÖW (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich, Bd.2, Wien 1982, 298.

Rosa Kerndlbacher

Rosa Winter (geb. Kerndlbacher), 1999.
Bildquelle: Helga Amesberger; https://www.ravensbrueck.at/die-lagergemeinschaft/portraits/rosa-winter-1923-2005/


Rosa Kerndlbacher wurde am 23. Dezember 1923 in Königswiesen (Bezirk Freistadt) im Mühlviertel geboren. Sie war das vierte Kind einer Sinti-Familie, die durch Österreich zog und auf Märkten verschiedene Waren verkaufte. Rosa besuchte keine Schule, sie half den Eltern und kümmerte sich um ihre jüngeren Geschwister. Als die Familie 1939 in der Stadt Salzburg Station machte, beschlagnahmte die Polizei ihren Wagen samt Pferden, und die Familienmitglieder wurde vor Ort im Sammellager Maxglan interniert. 1940 besuchte die Regisseurin Leni Riefenstahl das Lager, sie suchte Statist*innen für ihren Film „Tiefland“. Rosa Kerndlbacher wurde ausgewählt und mit ca. 50 weiteren Inhaftierten in den bayrischen Ort Krün bei Mittenwald verbracht. Als sie von der bevorstehenden Deportation ihrer Familie in Salzburg erfuhr, flüchtete sie in einer Drehpause, wurde aber kurz darauf in der Nähe von Rosenheim gefasst und im Salzburger Polizeigefängnis inhaftiert. 1941 wurde Rosa Kerndlbacher in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo sie in einem Außenkommando arbeiten musste. Im April 1945 gelang Rosa Kerndlbacher bei einem Marsch vom KZ-Außenlager Barth in das Außenlager Schwarzenpfost bei Rostock gemeinsam mit einer Gruppe von Mithäftlingen die Flucht. Dabei lernte sie auch ihren späteren Ehemann kennen. Zu Fuß konnte sie nach Linz zurückkehren. Vergeblich suchte sie danach nach ihrer Familie, außer einem Onkel hatte niemand die KZ-Haft überlebt.

Sie heiratete und lebte mit ihrem Lebensgefährten in einem Wohnwagen auf Stellplätzen in Linz. Das Paar bekam eine Tochter und einen Sohn. Ab Ende der 1960er Jahre zog die Familie in eine Wohnung um. Rosa Winter lebte lange Zeit bescheiden von Sozialhilfe. Bis 1991 wurde ihr die österreichische Staatsbürgerschaft verweigert, erst danach erhielt sie eine Opferrente.

Im Dezember 2004 wurde Rosa Winter für ihre Leistungen als Zeitzeugin das Goldene Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich verliehen. Rosa Winter starb am 16. Mai 2005 im Alter von 81 Jahren.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 113. Link
Winter: Wie es so war unser Leben, in: Laher (Hg.): Uns hat es nicht geben sollen. Drei Generationen Sinti-Frauen erzählen, 2008, 23–52.
Wege nach Ravensbrück. Erinnerungen von österreichischen Überlebenden des Frauen-Konzentrationslagers. Katolog zur Ausstellung, 29-31.


Anna Königsecker

Anna Königsecker, Datum unbekannt.
Bildquelle: Schlossmuseum Freistadt.

Die Schneidermeisterin Anna Königsecker (geb. 1907) wurde am 9. Oktober 1944 in Zusammenhang mit der „Freistädter Gruppe“ verhaftet. Die sogenannte „Freistädter Gruppe“ entstand im Frühsommer 1944 und bestand aus NS-Gegner*innen verschiedener politischer Überzeugungen, die Mehrheit der beteiligten Personen ist allerdings dem christlich-sozialen Lager zuzuordnen. Ziel war die Wiederherstellung eines freien, vom Deutschen Reich unabhängigen Österreich, weshalb sich die Mitglieder auch Gruppe „Neues freies Österreich“ nannten.

Anna Königsecker wurde vorgeworfen, ihren Mann Johann ein knappes halbes Jahr lang am Dachboden ihres Hauses in Freistadt versteckt zu haben. In einem Interview im Jahr 1988 gab sie an, zwar etwas von den Widerstandsaktivitäten ihres Mannes geahnt, „aber nie etwas Genaues gewußt“ zu haben. Auch Anna Königsecker lehnte den Nationalsozialismus ab. Von 1934 bis 1938 – während der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur – war sie Mitglied der 1933 gegründeten Einheitspartei „Vaterländische Front“.

Zur Zeit ihrer Verhaftung war sie 36 Jahre alt, Mutter dreier Kinder und erneut schwanger. Dies machte die Haft besonders hart: „Es war wirklich furchtbar, eingesperrt zu sein und oft nicht zu wissen, was mit den Kindern ist.“

Von Dezember 1944 bis Februar 1945 war sie im Gefangenenhaus des Kreisgerichts Wels, danach im Gefangenenhaus des Landgerichts Linz inhaftiert. Im April 1945 wurde sie – vermutlich aufgrund der nahenden Niederkunft – entlassen. Das neugeborene Mädchen starb jedoch zweieinhalb Monate nach der Geburt: „Der Arzt hat gleich nach der Geburt schon festgestellt: gänzlich unterernährt und hochgradig nervös.“ Das Todesurteil ihres ebenfalls festgenommenen Mannes wurde nie vollstreckt und beide überlebten die Zeit des Nationalsozialismus.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 48. Link
Steinmaßl: Das Hakenkreuz im Hügelland. Nationalsozialismus, Widerstand und Verfolgung im Bezirk Freistadt 1938–1945, Grünbach 1988, 170-172.


Cäcilia Langeder

Cäcilia Langeder, Datum unbekannt.
Bildquelle: Kammerstätter, Materialsammlung, 122.

Cäcilia Langeder kam am 6. April 1910 als Tochter von Alois und Aloisia Greifeneder in Altenhofen (Bezirk Rohrbach) zur Welt. Noch als Kind verlor sie ihren Vater im Ersten Weltkrieg. Sie besuchte die Volksschule in Altenhofen, eine Berufsausbildung blieb ihr jedoch verwehrt. Sie arbeitete im Gastgewerbe und heiratete schließlich den Kraftfahrer Martin Langeder. Das Paar bekam zwei Töchter. Martin Langeder war ein führender Funktionär der Kommunistischen Partei in Goisern. Während des NS-Regimes wurde er zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in der Strafanstalt Garsten verbüßte. Cäcilia Langeder, die selbst seit 1933 Mitglieder der Kommunistischen Partei war, musste in dieser Phase allein die Familie ernähren.

Ende November 1943 stellte sie auf Vermittlung ihrer Parteikollegin Resi Pesendorfer ihre Wohnung in Goisern für ein Treffen von Josef Plieseis, Maria Ganhör und Alois Straubinger zur Verfügung. Beide Männer waren als Kommunisten inhaftiert gewesen, konnten jedoch aus der Haft entkommen. Das Treffen der beiden bei Cäcilia Langeder war der Auftakt für die Organisation der Widerstandsbewegung „Willy-Fred“ im Salzkammergut. Ziel der Gruppe war die Wiederherstellung eines freien, unabhängigen Österreich. Cäcilia Langeder war gemeinsam mit anderen Frauen aktiv am Widerstand beteiligt. In ihrer Wohnung fanden mehrfach geheime Zusammenkünfte statt, sie versteckte dort auch untergetauchte Mitglieder der Gruppe. Ende August 1944 wurde sie verhaftet und anschließend im Frauengefängnis Kaplanhof in Linz inhaftiert. In den letzten Wochen vor der Befreiung Anfang Mai 1945 wurde sie in das Gefängnis des Bezirksgerichts Urfahr verlegt. 1977 bekam sie durch den Bundespräsidenten das Ehrenzeichen für ihre Verdienste um die Befreiung Österreichs verliehen.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 90. Link
Kammerstätter: Materialsammlung über die Widerstands- und Partisanenbewegung Willy-Fred. Freiheitsbewegung im Oberen Salzkammergut – Ausseerland 1943–1945. Ein Beitrag zur Erforschung dieser Bewegung, Linz 1978.


Maria Langthaler


Familie Langthaler mit den Geretten: Maria, Johann, Maria jun. (1. Reihe v. l.), Ferdinand, Anna, Josef (2. Reihe 1., 3., 4. v. l.), Michail Rybtschinskij und Nikolai Zimkalo (2. Reihe 2. u. 5. v. l.), Mai 1945.
Bildquelle: Privatarchiv HacklBildunterschrift:

Maria Langthaler (geb. 1888), geborene Kapplmüller, war eine Bäuerin in Winden bei Schwertberg. Sie hatte im Ersten Weltkrieg bereits die elterliche Landwirtschaft in Tragwein geführt und heiratete 1920 den Witwer Johann Langthaler, der bereits vier Kinder mit in die Ehe brachte. Das Ehepaar bekam fünf weitere Kinder. Die jüngste Tochter Anna kam 1931 auf die Welt. Maria Langthaler bewirtschaftete mit Unterstützung der Kinder den Hof, während Johann Langthaler in einem nahegelegenen Steinbruch arbeitete.

Maria Langthaler war sehr gläubig und lehnte die nationalsozialistische Herrschaft und Adolf Hitler ab. Während des Zweiten Weltkriegs wurden fünf Söhne der Familie in die Wehrmacht eingezogen. Am Hof verblieben die beiden Töchter Maria und Anna sowie der Sohn Ferdinand, der aufgrund einer Augenverletzung nicht einrücken musste, jedoch Ende 1944 für den sogenannten Volkssturm herangezogen wurde. Diese lokalen Gruppen stellten eine Art Behelfsarmee zur Heimatverteidigung dar, die hauptsächlich aus notdürftig bewaffneten jungen und älteren Männern bestanden.

Anfang Februar 1945 war aus dem kaum zehn Kilometer entfernten Konzentrationslager Mauthausen über 500 russischen Offizieren die Flucht gelungen. Binnen einer Stunde war bereits knapp die Hälfte der Flüchtigen wieder gefasst und meist sofort ermordet worden. Die weiteren Flüchtigen wurden von SS-Einheiten, aber auch von Gruppen des Volkssturms gejagt. Ferdinand Langthaler musste miterleben, wie ein gefasster Häftling brutal getötet wurde und erzählte seiner Mutter davon. Maria Langthaler fasste den Entschluss zu helfen und setzte sich gegen ihren Mann durch, als zwei geflohene Männer an die Tür des Hofes klopften. Über drei Monate blieben Michail Rybtschinskij und Nikolai Zimkalo versteckt im Bauernhaus. Die gesamte Familie trug das Risiko, das vor allem in den ersten Tagen, als mehrere Suchtrupps den Hof durchsuchten, sehr hoch war.

Nach dem Ende des NS-Regimes im Mai 1945 kehrten die beiden Versteckten in ihre Heimat zurück. Ein Wiedersehen gab es erst 19 Jahre später, als der russische Botschafter in Österreich auf die Geschichte aufmerksam geworden war und Maria Langthaler entsprechend geehrt wurde. Ein Höhepunkt für die Bäuerin war ihre Reise in die Ukraine, wo sie die Familien der Geretteten besuchen konnte. Maria Langthaler starb 1975. Mittlerweile wurde eine Straße in Schwertberg nach ihr benannt und noch 2021 erhielt sie posthum den Tapferkeitsorden der Russischen Föderation, den ihre Tochter Anna Hackl entgegennahm. Mit der Verfilmung der Geschichte durch Andreas Gruber im Jahr 1994 erlangte der Fall größere Popularität. Anna Hackl, die als 13-Jährige die Rettung miterlebt hatte, spricht seither regelmäßig als Zeitzeugin über ihre Erinnerungen in Schulen.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 43. Link
Hasenjagd. Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen, 1994, R: Andreas Gruber.

Hermine Lindorfer

 

Hermine Lindorfer (geb. 1899), geborene Harrer und Leopold Lindorfer (geb. 1901) aus Sarleinsbach führten seit ihrer Hochzeit 1931 eine Schneiderei. Sie dürften wiederholt illegale Radiosender gehorcht haben und sprachen offenbar in ihrem Betrieb relativ offen über die gehörten Radionachrichten.
Seit 7. September 1939 war die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ in Kraft und „das absichtliche Abhören ausländischer Sender“ wurde generell verboten.

Beide Eheleute Lindorfer waren gläubige Katholiken und während des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes Mitglieder der Vaterländischen Front. Dem NS-Regime standen sie kritisch-ablehnend gegenüber und verhehlten ihre Meinung auch nicht vor dem Lehrmädchen, das in der Schneiderei beschäftigt war. Nach einer Anzeige wurde das Ehepaar wegen „Abhörens ausländischer Sender“ verhaftet. In einem Prozess vor dem Oberlandesgericht in Wien im September 1944 wurde Leopold Lindorfer zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Hermine Lindorfers Urteil sprach das Sondergericht Linz im Oktober 1944 aus: zwei Jahre Zuchthaus. Zur Last gelegt wurde dem Ehepaar, dass sie Jahre lang die verbotenen Radiosender „Beromünster“ und „Radio London“ gehört, über die Inhalte gesprochen und sie auch anderen weitererzählt hätten.

Laut Verhandlungsschrift gab Hermine Lindorfer zu, wiederholt mit ihrem Mann die beiden Sender gehört zu haben, jedoch nicht gewusst zu haben, dass dies streng verboten gewesen wäre. Hermine Lindorfer erhielt ein milderes Urteil als ihr Mann, da das Gericht annahm, dass sie weniger aus eigenem Antrieb gehandelt habe und sie durch ihren Mann zum Anhören der Nachrichten verleitet worden wäre. Hermine Lindorfer war zunächst im Gefängnis des Landgerichts Linz inhaftiert und wurde im Dezember 1944 nach Ebersdorf bei Stuttgart überstellt, wo sie bis zum 21. April 1945 in einem Rüstungsbetrieb Zwangsarbeit leisten musste.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 55. Link
DÖW, 15.930.
AStL, Nachlass Kammerstätter, Sch. 12.

Hermine Lohninger

Die Lehrerin Hermine Lohninger aus Linz (3. v. l.) vor ihrer Verhaftung, Datum unbekannt.
Bildquelle: AStL

Hermine Lohninger wurde am 5. Dezember 1902 in Linz geboren. Über ihre Familie ist wenig bekannt. Nach der Schulzeit absolvierte sie in Salzburg eine Lehrerinnen-Ausbildung und unterrichtete daraufhin in verschiedenen Schulen im Umkreis von Linz. Bis zu dessen Auflösung 1938 war sie Mitglied des Katholischen Lehrervereins. 1938 wurde sie nach Linz versetzt.

In Konflikt mit dem NS-Regime geriet sie, als 1943 Briefe an ihren Bruder Walter abgefangen worden waren. Er war als Funker in die Wehrmacht eingezogen worden und in Wien stationiert. In den Briefen hatte sie die Kriegsführung sowie Hitler, den sie als „Totengräber des deutschen Volkes“ bezeichnete, kritisiert. Außerdem wünschte sie ein nahes Kriegsende herbei und schrieb ihrem Bruder von einer sich ausbreitenden pessimistischen Stimmung in der Bevölkerung. Die Inhalte der Briefe wurden als „wehrkraftzersetzend“ gewertet und Hermine Lohninger eine „regierungsfeindliche Einstellung“ zur Last gelegt. Der Straftatbestand „Zersetzung der Wehrkraft“ der Kriegssonderstrafrechtsverordnung aus dem Jahr 1939 kam mit Fortschreiten des Kriegs vermehrt zur Anwendung. In Fällen, die als besonders schwerwiegend beurteilt wurden, drohte die Todesstrafe.

Die Gestapo nahm Hermine Lohninger fest und inhaftierte sie im Gefängnis des Bezirksgerichts Urfahr. Eine Mitgefangene sagte nach Kriegsende aus, dass Hermine Lohninger dort physisch und psychisch misshandelt worden war. Mehr als eine Woche lang war sie ohne Decke im Keller eingesperrt, hatte nur jeden zweiten Tag Nahrung erhalten und sei immer wieder von Gestapobeamten mit den Füßen getreten worden.

Ihr Bruder Walter Lohninger war ebenfalls aufgrund seiner regimekritischen Briefe an seine Familie festgenommen worden und wurde am 7. Februar 1944 hingerichtet. Am 6. Juni 1944 verurteilte das Oberlandesgericht Linz auch Hermine Lohninger zum Tod. Der Vorwurf lautete „Wehrkraftzersetzung“, die „ihren eingerückten Bruder zum Ungehorsam gegen Vorgesetzte […] verleiten und die Manneszucht in der deutschen Wehrmacht […] untergraben“ solle. Am 2. August 1944 wurde sie im Alter von 41 Jahren im Landesgericht Wien hingerichtet.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 63. Link
Rot-Weiß-Rot-Buch. Gerechtigkeit für Österreich! Darstellungen, Dokumente und Nachweise zur Vorgeschichte und Geschichte der Okkupation Österreichs, Wien 1946, 137-138.
DÖW (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich, Bd.2, Wien 1982, 276–277.


Anna M.

 

Die Bauerstochter Anna M. (geb. 1898) aus Schenkenfelden im Bezirk Urfahr-Umgebung schickte im Dezember 1940 ein Lebensmittelpaket mit einem Brief in das Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager Krems-Gneixendorf. Bestimmt war die Sendung für Josef Pastoret, einem der Kriegsgefangenen, die zuvor im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb von Anna M. eingesetzt waren. Josef Pastoret war allerdings bei Ankunft des Pakets bereits entlassen worden. Bei der Gendarmerie Schenkenfelden wurden daraufhin Erhebungen gegen Anna M. angeordnet, da sie mit der Verschickung von Paket und Brief ein streng verbotenes Verhalten gegenüber Kriegsgefangenen attestiert wurde und sie des Verstoßes gegen die Wehrkraftschutzverordnung beschuldigt wurde. Ihr wurde außerdem eine verbotene romantische Beziehung zu Josef Pastoret unterstellt. Dies konnte zwar bei den Ermittlungen nicht nachgewiesen werden, doch die NSDAP-Ortsgruppen-Vertreter Schenkenfelden bezeichneten sie als „politisch nicht zuverlässig“, da sie bereits im August 1939 aus der NS-Frauenschaft ausgetreten war und Veranstaltungen der Partei fern blieb. Das Landgericht Linz verurteilte Anna M. im Mai 1941 zu einem Monat Zuchthaus. Das Beschenken des Kriegsgefangenen wurde im Urteil als „freundschaftliche Beziehung“ ausgelegt, „die ihrer als deutsches Mädchen einem dem Feindstaate angehörigen Manne gegenüber unwürdig ist“. Anna M. wurde der Strafvollzug allerdings nur angedroht und auf ein Jahr Probezeit aufgeschoben worden. Begründet wurde diese Entscheidung des Gerichts unter anderem damit, dass ihr die Einschätzung der Situation nicht zugetraut wurde: „Da jedoch die Angeklagte als Tochter des Arbeitgebers ebenso in der Landwirtschaft tätig und schon dadurch öfters mit dem Kriegsgefangenen bei der Arbeit in persönliche Fühlung kam, ist mit Grund anzunehmen, daß sie bei ihrem Bildungsgrade keinen Unterschied mehr zu machen brauchte zwischen beruflicher Aussprache und Verhalten außerhalb der Arbeit.“

Da Verhaftungen bzw. Beschuldigungen wegen „Verbotenem Umgangs“ noch Jahrzehnte nach dem Ende des NS-Regimes eine Stigmatisierung der Frauen zur Folge hatten und viele Familien darüber schwiegen, wurde der Name von Anna M. anonymisiert.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021. Link
DÖW (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich, Bd.2, Wien 1982, 512-515.

Theresia Mattischek

Theresia Mattischek, 1947.
Bildquelle: OÖLA

Theresia Mattischek (geb. 1887), geborene Schermair, stammte aus einer einfachen Familie in Gaspoltshofen im Bezirk Grieskirchen. Sie heiratete den Maurer Wolfgang Mattischek und wanderte mit ihm ins deutsche Ruhrgebiet aus. Dort kamen vier Söhne zur Welt, 1928 kehrte die Familie nach Österreich zurück und lebte von da an in Ottnang.

Die Familie war im Ruhrgebiet in Kontakt mit der Glaubenslehre der Bibelforscher gekommen. Theresia Mattischek, ihr Mann und drei ihrer vier Söhne – Wilhelm, Hubert und Franz – blieben auch nach ihrer Rückkehr überzeugte Zeugen Jehovas. Bereits während des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes erlebte die Familie Schikanen und Verfolgung. Ende 1938 wurde der älteste Sohn Franz zur Wehrmacht eingezogen. Als praktizierender Zeuge Jehovas verweigerte er wiederholt den Eid auf Adolf Hitler und wurde daraufhin von einem Militärgericht zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 2. Dezember 1939 in Berlin-Plötzensee vollstreckt. Im März 1939 waren auch die beiden anderen Söhne Hubert und Wilhelm verhaftet und zunächst in das KZ Dachau, später in das KZ Mauthausen-Gusen gebracht worden, wo sie bis zur Befreiung im Mai 1945 inhaftiert blieben. Auch der Familienvater Wolfgang Mattischek wurde im Frühjahr 1939 festgenommen und überlebte sechs Jahre KZ-Haft in Buchenwald. Die Verhaftung von Theresia Mattischek folgte im März 1940. Nachdem sie zuerst in der Polizeidirektion Linz festgehalten worden war, wurde sie am 11. April 1940 in das KZ Ravensbrück überführt, wo sie bis zu ihrer Befreiung Ende April 1945 inhaftiert war.

Aus Nachkriegsakten der Opferfürsorgestelle geht hervor, dass neben Theresia Mattischek auch ihr Mann und ihre zwei überlebenden Söhne eine Haftentschädigung erhielten. Die beiden Eheleute erhielten außerdem eine Opferrente. 1958 stellte Theresia Mattischek einen weiteren Antrag auf öffentliche Fürsorge. 1959, ein Jahr später, verstarb sie.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 107. Link
Verein Lila Winkel, www.lilawinkel.at.


Paula Mitterhauser


Paula Mitterhauser vor dem Bahnhof in Losenstein, ca 1944.
Bildquelle: Privatarchiv Gugglberger

Die Kindergärtnerin Paula Mitterhauser (geb. 1927) war die Tochter des sozialdemokratisch eingestellten Bahnvorstehers in Losenstein. In einem Interview im Jahr 2005 erzählte sie, der Hauptschule verwiesen worden zu sein, da sie und eine Freundin den Hitlergruß verweigert hatten. Als ausschlaggebend für ihre Ablehnung des Nationalsozialismus bezeichnete sie einen Vorfall, bei dem ihr Vater von SA-Männern schwer attackiert worden war.

Als die 16-Jährige im Frühjahr 1944 verschlüsselte Briefe an ihre Jugendliebe Hans an die Front schickte, wurden diese von der Zensur abgefangen und die Geheimschrift entziffert. Sie hatte sich in ihren Briefen mit Kritik am NS-Regime und am Krieg nicht zurückgehalten, weshalb die Inhalte als „wehrkraftzersetzend“ bewertet wurden. Die Gestapo führte daraufhin in ihrem Elternhaus eine Hausdurchsuchung durch und entdeckte weiteres belastendes Material, wie ein als „staatsfeindlich“ eingeschätztes Flugblatt. Paula Mitterhauser und etwas später auch ihre Mutter wurden verhaftet, ihr Vater versteckte sich bei Bekannten.

Die Jugendliche befand sich zuerst in Einzelhaft in Steyr. Sie erinnerte sich an nächtliche Kreuzverhöre, die sie als „Gehirnwäsche“ bezeichnete, und an die ständige Angst, jemanden zu verraten. Einer versuchten Vergewaltigung durch einen Aufseher entkam sie nur knapp. Danach wurde sie nach Linz und später nach Wels überstellt.

Am 3. Jänner 1945 wurde Paula Mitterhauser vom Oberandesgericht (OLG) Wien wegen „Wehrkraftzersetzung“ und „Ungehorsam gegen Regierungsanordnungen“ zu zwei Jahren Jugendgefängnis verurteilt und bis Kriegsende in der Jugendstrafanstalt Hirtenberg in Niederösterreich inhaftiert. Es wurde angenommen, die politische Einstellung ihres Vaters habe sie zu ihren Handlungen verleitet.

Paulas Mutter, Maria Mitterhauser überlebte die Haft nicht, sie kam im März 1945 bei dem Bombenangriff auf das Frauengefängnis Kaplanhof in Linz ums Leben. Ihre Jugendliebe Hans, dem aufgrund des Briefverkehrs ebenfalls eine Inhaftierung wegen „Wehrkraftzersetzung“ drohte, entkam der Verfolgung durch Desertation, er kehrte nach dem Krieg nach Losenstein zurück.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 65. Link
Interview Martina Gugglberger mit Paula Mitterhauser.
DÖW (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich, Bd.1, Wien 1982, 221-222.

Maria Moser


Maria Moser, Datum unbekannt.
Foto: Verein Lila Winkel

Maria Moser (geb. 1906), geborene Viertlbauer, stammte aus einer gutbürgerlichen Familie in Braunau. 1927 heiratete sie den Postbeamten und strenggläubigen Katholiken Alois Moser. Als dieser begann, sich für die Lehren der Internationalen Bibelforschervereinigung zu interessieren, besuchte auch sie Zusammenkünfte und verteilte Broschüren der Religionsgemeinschaft. Beide traten in den 1930er-Jahren aus der katholischen Kirche aus.

Am 4. April 1939 wurde das Ehepaar im Zuge der ersten großen Verhaftungswelle von Zeug*innen Jehovas festgenommen. Alois Moser wurde am 20. April 1939 ins KZ Dachau überstellt, Maria am 12. Juni 1939 ins KZ Ravensbrück, wo sie beim Aufbau des Lagers eingesetzt wurde. Dort traf sie auf viele ihrer Glaubensschwestern, denn in Ravensbrück waren zu diesem Zeitpunkt etwa 450 Zeuginnen Jehovas inhaftiert. Mitglieder der Gemeinschaft lehnten generell das „Führerprinzip“ ab und verweigerten Tätigkeiten, die direkt oder indirekt dem Krieg dienten.

Der Lagerkommandant des KZ Ravensbrück Max Koegel versuchte, die Frauen zu kriegsrelevanten Arbeiten zu zwingen, und bestrafte sie, als sie dies konsequent verweigerten, mit mehrwöchiger Zellenhaft. Ab März 1940 stellte die Lagerverwaltung die spezielle Bestrafung von Zeuginnen Jehovas ein, da sie erkannte, dass diese ihrer Arbeit in zivilen Einsatzbereichen zuverlässig nachgingen.

Am 21. Juli 1942 wurden rund 50 Zeuginnen Jehovas von Ravensbrück nach Auschwitz überstellt, darunter auch Maria Moser. Sie war dort eine Weile als Blockälteste eingesetzt, später als Haushälterin bei einem hohen NS-Funktionär. Als sie schwer an Flecktyphus erkrankte, konnte sie durch die Unterstützung von anderen in Auschwitz inhaftierten Glaubensschwestern wieder genesen. Ab Jänner 1945 überlebte sie die Evakuierung in mehrere Lager, am 5. April 1945 wurde ihr Häftlingstrupp auf dem Marsch zum KZ Neuengamme von den Wachmannschaften zurückgelassen. Erst im September 1945 gelang ihr die Rückkehr in ihre Heimat. Bis zu ihrem Tod 1973 lebte Maria Moser gemeinsam mit ihrem Mann, der ebenfalls sechs Jahre in NS-Konzentrationslagern überlebt hatte, in Braunau.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 39. Link
Verein Lila Winkel, www.lilawinkel.at


Resi Pesendorfer

Theresia Pesendorfer, 1924.
Bildquelle: Kammerstätter: „Resi Pesendorfer zum 80. Geburtstag“, Linz 1982.

Resi (Theresia) Pesendorfer (geb. 1902), geborene Laimer, stammte aus einer armen, kinderreichen Arbeiterfamilie. Als ihre Mutter 1912 starb, übernahm ihr 19 Jahre alter Bruder die Erziehung der 10-jährigen Resi, da der Vater als Salzarbeiter immer mehrere Tage hintereinander abwesend war. Ab ihrem 14. Lebensjahr musste sie arbeiten – zunächst bei Bauern, später als Hausgehilfin – und entwickelte schon früh ein Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit. Die christlich-soziale Einstellung ihres Vaters teilte sie nicht, 1926 trat sie der sozialdemokratischen Partei bei. Im gleichen Jahr heiratete sie Ferdinand Pesendorfer, mit dem sie wenig später einen Sohn bekam. Auch ihr Mann war Sozialdemokrat, in den 1930er-Jahren wechselte das Ehepaar schließlich zur Kommunistischen Partei.

Kurz nach der Hochzeit wurde Ferdinand Pesendorfer arbeitslos und seine Frau musste durch Waschen und Putzen Geld verdienen. Finanzielle Sorgen prägten den Alltag des Ehepaars. Die körperlich anstrengende Arbeit und mangelhafte Ernährung wirkten sich auf Resi Pesendorfers Gesundheit aus, über Jahre hinweg litt sie an Lungentuberkulose. Als ihr Mann 1936 verhaftet wurde, musste sie ihren damals 10-jährigen Sohn in einem Waisenhaus unterbringen, da es ihr aufgrund eines Kuraufenthaltes nicht möglich war, sich um ihn zu kümmern.

Noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten gründete Resi Pesendorfer eine illegale kommunistische Frauenorganisation in Bad Ischl, unterstützte die kommunistische Jugendorganisation, sammelte Spenden und übernahm für die Partei Kurierdienste nach Bad Goisern, Bad Aussee und Ebensee. Dadurch hatte sie zahlreiche Kontakte und umfangreiche Erfahrung in der illegalen Arbeit. In der NS-Zeit nahm sie eine wichtige Funktion in der Widerstandsgruppe um Sepp Plieseis ein, indem sie für Untergetauchte Quartiere organisierte, Kurier- und Botendienste übernahm und bei der Befreiung von KZ-Häftlingen half. Sie wurde zwar für kurze Zeit inhaftiert, aber wieder freigelassen, weil ihr von der Gestapo die Befähigung für illegale politische Arbeit schlichtweg nicht zugetraut wurde. Resi Pesendorfer bediente sich des Geschlechterstereotyps der „naiven unpolitischen Frau“ und empfand es als Genugtuung, dass sie dadurch dem nationalsozialistischen Verfolgungsapparat entkam.

Resi Pesendorfer blieb auch in der Nachkriegszeit politisch aktiv, engagierte sich im KZ-Verband und hielt Kontakt mit Frauen, mit denen sie in der NS-Zeit zusammengearbeitet hatte. Daneben kümmerte sie sich intensiv um ihre zahlreichen Enkel- und Urenkelkinder. Am 4. Oktober 1977 wurde ihr das „Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs“ verliehen. Nach mehreren Initiativen und jahrelangen Bemühungen wurde 2024 im Kurpark von Bad Ischl schließlich der Theresia-Pesendorfer-Platz eingeweiht.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 44, 88. Link
Kammerstätter: Resi Pesendorfer zum 80. Geburtstag, Linz 1982.
Karbus, Resi Pesendorfer. ... dass man nicht ganz umsonst auf der Welt ist, Bad Ischl 2021.
AStL, Nachlass Peter Kammerstätter, Interview mit Resi Pesendorfer.


Theresia Pfarrwallner

Theresia Pfarrwallner, Datum unbekannt.
Bildquelle: Privatarchiv Pfarrwallner

Theresia Pfarrwallner (geb. 1923) wuchs in einem sozialistischen Umfeld auf. Sie war das Kind eines Eisenbahners, der im Stellwerk am Bahnhof in Schärding beschäftigt war. In einer Baracke neben diesem Gebäude waren Kriegsgefangene untergebracht, die unter anderem für Kanalgrabungen in der Schärdinger Vorstadt eingesetzt wurden. Bei diesen Grabungen sah Theresia Pfarrwallner die völlig abgemagerten Kriegsgefangenen und schob ihnen daraufhin immer wieder unter dem Zaun Brot, Äpfel und andere Lebensmittel zu. Eines Tages kamen die kriegsgefangenen „Russen“ mit einem Ballen blau-weiß gestreiften Stoff zu ihrem Vater ins Stellwerk und fragten ihn, ob seine Tochter einige Hemden daraus nähen könne. Theresia Pfarrwallner, die gelernte Schneiderin war, stellte aus dem Stoff fünf einfache Hemden her. Zum Dank flochten ihr die Männer einen großen Korb aus Weiden. Theresias Hilfestellung wurde nicht angezeigt und die junge Frau blieb somit unbehelligt. Über ihre Unterstützung für Kriegsgefangene hat Theresia Pfarrwallner kaum gesprochen. Den Korb besitzt sie noch heute.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 69. Link


Johanna Pichler

Johanna Pichler, ca. 1954
Bildquelle: OÖLA


Johanna Pichler wurde am 30.5.1894 in St. Marein bei Neumarkt (Steiermark) geboren. Seit ihrem 18. Lebensjahr arbeitete sie im Gastgewerbe, seit ca. 1933 betrieb sie mit ihrem Lebensgefährten als selbständige Gewerbeinhaberin die Gaststätte „Zum weissen Lamm“ in Enns.

1942 wurde sie wegen „verbotenen Umgangs“ angezeigt. Seit Kriegsbeginn regulierten verschärfte Vorschriften den Umgang mit der wachsenden Zahl der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen. Freundschaftliche, romantische oder sexuelle Beziehungen wurden genauso kriminalisierten wie kurze Gespräche, die über den notwendigsten Kontakt hinausgingen.

In Johanna Pichlers Gaststätte waren Kriegsgefangene zur Unterbringung und Verpflegung zugewiesen worden. Laut Anzeige hätte sie ein Zechgelage geduldet und einem Kriegsgefangenen seine Halskette abgekauft sowie eine Zigarette angenommen. Bereits zuvor hatte sie mit einer Anzeige wegen angeblicher Sauberkeitsmängel in der Gaststätte zu kämpfen. Im August 1942 wurde Johanna Pichler aufgrund der Vorwürfe die Gast- und Schankgewerbekonzession entzogen. Im April 1943 folgte dann die Verurteilung durch das Landgericht Steyr wegen verbotenen Umganges mit Kriegsgefangenen zu einer Haftstrafe in Höhe von zweieinhalb Monaten, welche sie von Juli bis September desselben Jahres beim Kreisgericht Steyr verbüßte. Nach der Haft erhielt sie weder ihre Wohnung zurück, noch konnte sie ihre Gaststätte weiterführen. Johanna Pichler erhielt sich und ihr Kind bis Kriegsende notdürftig durch Hilfsarbeiten.

Nach Ende des NS-Regimes stellte Johanna Pichler erfolglos Anträge auf eine erneute Übernahme der Pacht für die Gaststätte und der Wohnräume. Abgewiesen wurden auch ihre Ansuchen als Opfer im Sinne des Opferfürsorgegesetzes anerkannt zu werden und Entschädigungen für die Haftzeit und den Entzug der Gastgewerbekonzession zu erhalten. Als Begründung wurde angegeben, sie sei keiner politischen Verfolgung ausgesetzt gewesen.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 66. Link
OÖLA, Opferfürsorge, Sch. 60, ZI. FOF 1962/728.


Maria Pötscher

Die Unterschrift Maria Pötschers auf dem Vernehmungsprotokoll der Gendarmerie.
Bildquelle: DÖW


Maria Pötscher (geb. Wirth) wurde am 11.8.1878 in Außertreffling (Bezirk Linz-Land) geboren. Sie heiratete den Maurer Franz Pötscher, das Ehepaar ließ sich jedoch scheiden. 1939 lebte Maria Pötscher in Linz und bezog eine Armenrente, von der sie auch die bei ihr lebende Tochter und einen arbeitslosen Enkel versorgte. Durch den Verkauf von Blumen, Beeren und Schwämmen versuchte sie ihr geringes Einkommen etwas aufzustocken. Dafür reiste sie regelmäßig in die umliegenden Bezirke um Blumen zu pflücken oder Beeren und Schwämme zu sammeln.

Nach einer dieser Fahrten wurde sie im Februar 1939 vom Eisenbahnangestellten und NSDAP-Mitglied Franz Pay aus Obermicheldorf denunziert, Gerüchte über angeblich menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Hermann-Göring-Werken in Linz erzählt zu haben. An der Bahnstation Schön im Bezirk Kirchdorf habe sie ihm gegenüber außerdem von Soldatenmisshandlungen in Enns und Linz berichtet. Sie habe sich weiters beklagt, dass es ihr unter Bundeskanzler Schuschnigg besser gegangen sei und sie damals mehr staatliche Hilfe bekommen habe als unter dem NS-Regime. Der Vorfall wurde der Ortsgruppenleitung Micheldorf gemeldet, die bei der Gendarmerie Anzeige gegen Maria Pötscher erstattete. Bei ihrer Vernehmung durch die Gestapo bestätigte sie die Aussagen großteils, räumte jedoch ein, dass ihr nicht bewusst gewesen wäre, dass sie durch das Weitererzählen von Gerüchten eine strafbare Handlung begangen hätte. Die Gestapo beantragte dennoch beim Land- und Amtsgericht Linz die Durchführung eines Strafverfahrens wegen „Verbreitung falscher beunruhigender Gerüchte“. Über den Ausgang des Verfahrens sind keine Informationen erhalten.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 59. Link
DÖW, 16.099.


Elisabeth R.

Elisabeth R. als junge Frau, Datum unbekannt.
Bildquelle: Privatarchiv Herta Neiss


Elisabeth R. wurde am 20. März 1921 in Reichenau im Mühlkreis geboren. 1941 arbeitete sie als Dienstmagd in der Landwirtschaft des Bischöflichen Gymnasiums Petrinum in Linz. Dabei wusch und flickte sie nicht nur ihre eigene Wäsche, sondern auch jene von zwei polnischen Kriegsgefangenen. Sie selbst erzählte, dies aus reinem Mitleid gemacht und keine Ahnung gehabt zu haben, dass dies verboten war.

Die damals 20-Jährige wurde daraufhin beschuldigt, mit einem der beiden Kriegsgefangenen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Es folgte eine Verhaftung durch die Gestapo und ein Aufenthalt im Polizeipräsidium in Linz. Anschließend wurde Elisabeth R. im Jänner 1942 in das Konzentrationslager Ravensbrück und einige Monate danach in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Erst im Juli 1943 erfolgte die Entlassung und sie kehrte nach Hause zurück.

Nach Kriegsende heiratete Elisabeth R. und brachte einen Sohn zur Welt. Die Verhaftung und die KZ-Haft prägten ihr weiteres Leben. Sie bemühte sich nach Kriegsende jahrelang, als politisches Opfer anerkannt zu werden und finanzielle Unterstützung zu erhalten. Trotz der Vorlage von Zeugenaussagen wurden ihre Ansuchen bei der Opferfürsorgestelle mehrfach abgelehnt. Erst 1960 erhielt Elisabeth R. eine Haftentschädigung und die Anerkennung als politisches Opfer.

Neben finanziellen Sorgen hatte Elisabeth R. aber vor allem zeitlebens mit psychischen Problemen zu kämpfen, wie sie in einem Interview 2006 schilderte: „Hunger und Durst, Angst und Kälte… Heute habe ich noch oft Alpträume. Da hat man das Gefühl, es verfolgt einen. Da kann man nicht richtig schlafen und wach ist man auch nicht. Und da schreie ich so viel.“

Elisabeth R. stand bis ins hohe Alter als Zeitzeugin zur Verfügung. Zuletzt wohnte Elisabeth R. in einem Seniorenwohnheim in Linz. Sie starb am 25. September 2012 im Alter von 91 Jahren.

Da Verhaftungen bzw. Beschuldigungen wegen „Verbotenem Umgangs“ noch Jahrzehnte nach dem Ende des NS-Regimes eine Stigmatisierung der Frauen zur Folge hatten und viele Familien darüber schwiegen, wurde der Name von Elisabeth R. anonymisiert.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter (2021): Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz, 69. Link
OÖLA Opferfürsorge, Sch. 338, Zl. SO 810157.
Sonderausstellung, Die Gerechten, Tafel: „Wir haben doch nichts getan ...“.


Margarete Rametsteiner

 

Die Informationen zu Margarete Rametsteiner sind spärlich. Ihr Geburtsdatum und die genaueren Umstände, durch die sie mit den NS-Behörden in Konflikt geriet, sind nicht dokumentiert. Aus einem erhaltenen Schreiben des Landrats in Perg im Juni 1941 geht hervor, dass ihr vorgeworfen wurde, „mit staatspolitisch unsicheren Personen“ in Kontakt zu stehen. Vermutlich war die katholische Lehrerin deshalb angezeigt worden und wurde nun nicht nur verwarnt, sondern erfuhr auch berufliche Einschränkungen. Für das nachfolgende Schuljahr wurde sie an die Volksschule Naarn als außerplanmäßige Lehrerin versetzt, mit der strengen Auflage, nicht im Kirchenchor mitzuwirken. Außerdem wurde ihr jegliche Beteiligung am Religionsunterricht verboten. Es ist zu vermuten, dass Margarete Rametsteiner sehr gläubig war und ihre religiöse Überzeugung sowohl im Unterricht als auch im Kirchenchor ausgelebt hat. Darüber hinaus befanden sich in ihrem Bekanntenkreis offenbar Personen, die vom Regime als politische Gegener*innen kritisch beobachtet wurden.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter (2021): Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz, 102. Link
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich 1934–1945. Eine Dokumentation, Bd. 2, Wien/Linz 1982, S. 186-187-

Theresia Reindl


Theresia Reindl, 1928.
Bildquelle: Privatarchiv Margit Kain

Theresia Reindl (geb. 1911), geborene Gröblinger, stammte aus einer Arbeiterfamilie und wuchs in Pasching auf. Nachdem ihr Vater 1914 im Ersten Weltkrieg gefallen war, musste sich ihre Mutter Rosalia alleine um die vier Töchter und zwei Söhne kümmern. Die Kinder wurden politisch erzogen und waren in der sozialdemokratischen bzw. nach 1934 der kommunistischen Parteijugend aktiv. 1931 begann Theresia Reindl im Allgemeinen Krankenhaus in Linz zu arbeiten, neun Jahre war sie im Operationshaus beschäftigt. Mit 28 Jahren (1939) heiratete sie den illegalen Kommunisten Karl Reindl, der als Lokführer bei der Reichsbahn angestellt war. Das Paar verband eine überzeugte Gegnerschaft zum Nationalsozialismus, gemeinsam waren sie aktiv am Aufbau eines kommunistischen Widerstandsnetzwerkes in Linz beteiligt. Theresia Reindl versuchte überdies an ihrer Arbeitsstätte im Krankenhaus Gleichgesinnte zu organisieren.

Gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Margarethe Müller war sie in der Widerstandsgruppe um den Landesobmann der illegalen kommunistischen Partei Oberösterreichs, Josef Teufl, aktiv. Dieser war Arbeiter der Tabakfabrik und hatte eine illegale Druckerei eingerichtet, in der Flugblätter sowie eine Zeitung hergestellt wurden. Theresia Reindl warb für das illegale kommunistische Hilfswerk „Rote Hilfe“, übernahm Kurierdienste und tarnte diese Tätigkeit, indem sie Manuskripte beispielsweise in Lebensmittelpaketen versteckte. Um im Fall einer Verhaftung die Enttarnung des gesamten Netzwerks zu verhindern, wurde in Gruppen von höchstens fünf Personen gearbeitet. Die Mitglieder dieser Kleingruppen kannten nur die Namen der vier anderen Beteiligten.

Im Herbst 1944 setzte eine Verhaftungswelle von illegalen Kommunist*innen ein, bei der fast alle Mitglieder der Gruppe festgenommen wurden. Auch Theresia Reindl wurde in das Frauengefängnis Kaplanhof in Linz gebracht. In Kaplanhof traf sie ihre Freundin Gisela Tschofenig-Trauer wieder, die ebenfalls im kommunistischen Widerstand aktiv war. Beide Frauen blieben bei der Bombardierung des Frauengefängnisses Ende März 1945 unverletzt. Theresia Reindl überlebte die Haft, musste aber miterleben, wie ihrer Freundin Gisela Tschofenig-Trauer wenige Tage vor dem Ende des NS-Regimes erschossen wurde. Fast zeitgleich wurde ihr Mann Karl Reindl im KZ Mauthausen ermordet.

Theresia Reindl war auch nach Kriegsende aktives Mitglied der Kommunistischen Partei und engagierte sich jahrelang für Erholungsaktionen von Linzer Kindern in Kirchschlag.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter (2021): Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz, 84. Link

Kain, Theresia Reindl, Gedächtnisbuch Oberösterreich, 2023, https://ku-linz.at/fileadmin/user_upload/Forschung/Jaegerstaetter-Institut/Bilder/GBOOE_2023_Reindl_Theresia.pdf (17.01.2024).

Gugglberger: „Versuche, anständig zu bleiben“ – Widerstand und Verfolgung von Frauen im Reichsgau Oberdonau, in: Hauch (Hg.), Frauen im Reichsgau Oberdonau. Geschlechtsspezifische Bruchlinien im Nationalsozialismus (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 5), Linz 2006, S. 281–344.

Interview mit Theresia Reindl, geführt von Peter Kammerstätter, 31. 5. 1988, AStL, NL PK, CD 248 u. 249.

Ida Revertera

Ida und Peter Revertera am Hochzeitstag, 1917.
Bildquelle: Österreichisches Staatsarchiv, AT-OeStA/HHSTA SB FA de Vaux Fotografien 74.


Ida Revertera (geb. 1894) kam als Prinzessin Ida zu Schwarzenberg in Wien zur Welt. 1917 heiratete sie den damaligen Graf Peter Revertera-Salandra und wurde Mutter von drei Buben und einem Mädchen. 1932 war ihr Mann kurzzeitig Landesführer-Stellvertreter der oberösterreichischen Heimwehr, oberösterreichischer Landesrat und ab 1934 Sicherheitsdirektor für Oberösterreich. Damit geriet er nach der nationalsozialistischen Machtübernahme sofort ins Visier der NS-Behörden. Gemeinsam mit anderen führenden Persönlichkeiten der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur wurde er verhaftet und schließlich des Gaus verwiesen. In seinen Erinnerungen zur NS-Zeit, die er 1946 für das „Rot-Weiß-Rot-Buch“ verfasste, gab er an, seit 1940 die ersten Versuche unternommen zu haben, einen organisierten Widerstand aufzubauen. Sein Bericht erwähnt unter anderem, dass seine Frau Ida und seine Tochter Josephine mit der Instandsetzung von Waffen und Munition betraut waren. Dabei handelte es sich um Waffen der Heimwehr, die 1938 vergraben worden waren. Ziel der Gruppe war die Vorbereitung der Region um Helfenberg auf die Befreiung und die unblutige Beendigung der Kämpfe im Oberen Mühlviertel. Der bewaffnete Kampf war letztendlich nicht notwendig, die Waffen kamen nicht zum Einsatz und wurden den amerikanischen Truppen übergeben.

Die Tätigkeit von Ida Revertera und ihrer Tochter Josephine ging allerdings über das Instandsetzen der Waffen hinaus. Ein abgelegenes Forsthaus der Familie in Böhmen diente zeitweise als Treffpunkt für Zusammenkünfte von Regierungsgegner*innen aus dem christlich-konservativen Lager. Als Hausherrin war Ida in diese Treffen unmittelbar eingebunden. Später war sie es, die Kontakte zu Vertrauensleuten in der Bevölkerung herstellte, um wie erwähnt die Kapitulation vorzubereiten. Ihr Mann war zu diesem Zeitpunkt aus dem Arbeitserziehungslager Schörgenhub zurückgekehrt und hielt sich versteckt, Ida Revertera hingegen konnte sich frei bewegen und blieb bei ihren Aktivitäten unbehelligt. In die Widerstandsaktivitäten waren großteils Personen verwickelt, die aufgrund ihres höheren Alters nicht mehr in die Wehrmacht eingezogen waren.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 95. Link


Pauline Ritter

Pauline Ritter im Alter von 98 Jahren, 1994.
Bildquelle: Zeitgeschichtemuseum Ebensee

Pauline Ritter (geb. Heissl) wurde am 9.9.1896 als Tochter eines bei den Solvay-Werken beschäftigten Zimmermanns in Ebensee geboren. Von ihren elf Geschwistern erlebten acht das Erwachsenenalter. Sie besuchte die Volksschule und erlernte danach die Damenschneiderei. Ab dem Alter von 17 Jahren arbeitete sie als Stubenmädchen in Wien, Salzburg, Weissenbach am Attersee und Gmunden. Mit 27 Jahren heiratete Pauline in Ebensee Johann Ritter, der dort als Betriebsmeister der Solvay-Werke angestellt war. Das Ehepaar bekam von 1925 bis 1930 drei Kinder und lebte in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen. Laut eigenen Aussagen war Pauline Ritter im Gegensatz zu ihrem Mann nie Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei gewesen, noch anderweitig politisch aktiv, sie gab weiters an, ihre Kinder „politisch indifferent“ erzogen zu haben.

Pauline Ritter geriet in Konflikt mit der NS-Justiz, weil sie von einem Fenster ihrer Wohnung, Kriegsgefangenen über fünf Wochen verteilt insgesamt drei Pakete mit Nahrungsmitteln zuwarf. Bei der letzten dieser Hilfeleistungen wurde Ritter von einem Wachmann der Solvay-Werke beobachtet, welcher Anzeige erstattete. Sie wurde daraufhin wegen des „Verstoßes gegen Vorschriften zum Schutze der Wehrmacht“ angeklagt. Pauline Ritter gab bei den Vernehmungen zu, diese Pakete hinter dem Rücken ihres Ehemannes verteilt zu haben und begründete dies mit Mitleid. Dieses Motiv wurde nur teilweise als mildernd anerkannt, weil Gestapo-Ermittlungen das Ehepaar als „radikal politisch links“ einschätzten. Pauline Ritter und ihrem Mann wurde zur Last gelegt, dass sie für das NS-Winterhilfswerk bis dahin nur geringe Summen gespendet und nationalsozialistische Einrichtungen kritisiert hätten. Vor allem Pauline Ritter wurde von den Behörden eine vehemente Gegnerschaft zum NS-Regime zugeschrieben. Letztendlich wurde sie vom Landgericht in Linz zu vier Monaten Gefängnis verurteilt.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 70. Link
DÖW, 13.284.
DÖW (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich, Bd.1, Wien 1982 Bd 1, 515.


Franziska Roidmaier

Franziska Roidmaier aus Lengau.
Bildquelle: Privat Krifta

Franziska Roidmaier wurde am 3. März 1898 in Munderfing im Bezirk Braunau am Inn als Tochter von Josef und Theresia Nandlinger geboren. Sie war eines von zwölf Kindern und besuchte bis zum 14. Lebensjahr die Volksschule in Munderfing. Danach arbeitete sie als Kindermädchen und Magd auf Bauernhöfen, bis zu ihrer Heirat mit dem Bauarbeiter Karl Roidmaier am 3. März 1930 heiratete. Bis 1939 brachte sie sechs Kinder zur Welt. Die Familie lebte in der Gemeinde Lengau.

Franziska Roidmaier kam vermutlich 1934 gemeinsam mit ihrem Ehemann mit der Internationalen Bibelforschervereinigung (IBV), den Zeugen Jehovas, in Berührung. Das Ehepaar trat ein Jahr später aus der katholischen Kirche aus.

Die Zeugen Jehovas lehnten in mehreren Punkten die NS-Ideologie ab. Sie lehnten unter anderem das weltliche „Führerprinzip“ und den Hitlergruß ab und verweigerten jegliche Unterstützung des Krieges, sei es direkt im Wehrdienst oder indirekt in Rüstungsfirmen. Obwohl die Vereinigung in Österreich zwischen 1938 und 1945 nicht einmal 1000 Mitglieder zählte, stellten diese die Mehrheit der Wehrdienstverweigerer. Die Glaubensgemeinschaft war schon in der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur verboten, die Verfolgung verschärfte sich aber im Nationalsozialismus. Die Zeugen Jehovas galten nun als „staatsfeindlich“. Das Bibelstudium, Versammlungen und das Missionieren weiterer Personen, alles Bestandteile der Lehre der IBV, konnte nur mehr illegal praktiziert werden. Die aktive Glaubensausübung wurde so zum Widerstand gegen Vorschriften des NS-Regimes.

Im Juni 1940 wurde Franziska Roidmaier gemeinsam mit ihrem Mann und einer Reihe weiterer Glaubensgenoss*innen verhaftet. Ende desselben Jahres wurden die Angeklagten wegen „Wehrkraftzersetzung“ verurteilt. Zur Last gelegt wurde ihnen ihr gelebtes Bekenntnis zur IBV sowie die Zusammenkünfte mit anderen Gläubigen. Die männlichen Angeklagten erhielten Haftstrafen von ein bis drei Jahren, während sämtliche Frauen deutlich milder zu sechs Monaten Haft verurteilt wurden. Da Franziska Roidmaier die Untersuchungshaft angerechnet bekam, hatte sie die sechs Monate bereits am 16. Dezember 1940 verbüßt. Sie wurde jedoch nicht freigelassen, sondern der Gestapo übergeben und im März 1941 in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Im Juli 1942 wurde sie schließlich in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gebracht.

Die sechs Kinder des Ehepaars Roidmaier wurden nach der Verhaftung der Eltern vorerst in ein Armenhaus untergebracht. Später kümmerte sich das Ehepaar Michael und Maria Berner um die Kinder. Franziska Roidmaier wurde von Verwandten in Briefen aufgefordert nachzugeben und den Glauben abzulegen, um zu den Kindern zurückkehren und ihren „mütterlichen Pflichten“ nachgehen zu können. Wie auch ihr Mann blieb sie aber ihrer Überzeugung treu. Vermutlich kam Franziska Roidmaier im Sommer 1943 im Konzentrationslager Auschwitz ums Leben. Karl Roidmaier starb am 26. Oktober 1944 an Tuberkulose, er war bis zuletzt im Zuchthaus Garsten bei Steyr inhaftiert.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 105. Link
DÖW, 10509.
Winklmeier, Gedächtnisbuch – Karl und Franziska Roidmaier: https://ku-linz.at/fileadmin/user_upload/Forschung/Jaegerstaetter-Institut/GB_2020_Roidmaier_Karl_Franziska.pdf


Maria S.

 

Maria S. war eine Magd aus Peherstorf, Gemeinde St. Ulrich. Sie wurde im November 1941 von einem abgewiesenen Verehrer beschuldigt, ein sexuelles Verhältnis mit einem französischen Kriegsgefangenen zu haben. Um diese Anschuldigungen zu entkräften, ließ sie sich von einem Linzer Arzt ein „Zeugnis der Unberührtheit“ ausstellen. Dennoch ließ sie der damalige NS-Ortsgruppenleiter aus Neufelden verhaften. Maria S. wurden von den ortsansässigen Friseuren die Haare kurz abgeschnitten. Vom Ortsgruppenleiter aus St. Peter am Wimberger wurden ihr schließlich zwei Schilder mit den Worten umgehängt: „Zu einer Zeit wo deutsche Soldaten kämpfen, küsse ich Schwein Kriegsgefangene.“ Begleitet von zwei SA-Männern wurde Maria S. derart gedemütigt und stigmatisiert durch den Ort geführt.

Da Verhaftungen bzw. Beschuldigungen wegen „Verbotenem Umgangs“ noch Jahrzehnte nach dem Ende des NS-Regimes eine Stigmatisierung der Frauen zur Folge hatten und viele Familien darüber schwiegen, wurde der Name von Maria S. anonymisiert.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 67. Link
DÖW, 8357.

Gerty Schindel

Gerty Schindel mit ihrem Sohn Robert in Wien, 1950
Bildquelle: Privatarchiv Schindel

Die Gärtnerin Gerty Schindel (geb. 1913) wuchs in einer jüdischen Familie in Wien auf. In den 1920er-Jahren trat sie dem Kommunistischen Jugendverband (KJV) bei und wurde in den 1930er-Jahren aufgrund ihrer politischen Tätigkeit zweimal verhaftet. Nach der Machtergreifung durch das NS-Regime gelang ihr mit Hilfe von Bekannten die Flucht nach Frankreich.

Gerty Schindel war eine von ungefähr 4.850 Österreicher*innen, die nach 1938 in Frankreich Zuflucht suchten, um politischer und/oder „rassischer“ Verfolgung durch das NS-Regime zu entkommen. Mit der deutschen Besetzung Frankreichs im Jahr 1940 änderte sich die Situation. Die meisten Geflüchteten versuchten in die unbesetzte Zone Frankreichs zu gelangen, während andere, wie Gerty Schindel, untertauchten. Noch im selben Jahr schloss sie sich dem französischen Widerstand in Paris an. Im Jahr 1943 ging sie getarnt als elsässische Fremdarbeiterin unter dem Decknamen Suzanne Soël gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten René Hajek nach Linz, um dort Angehörige der Wehrmacht über den Verlauf des Krieges aufzuklären, Informationen für die Widerstandsorganisation in Frankreich zu sammeln und eine kommunistische Widerstandsgruppe aufzubauen. Im April 1944 kam der gemeinsame Sohn Robert zur Welt, der heute ein bekannter Schriftsteller ist. Nur fünf Monate später wurden Gerty Schindel und René Hajek verhaftet und in das KZ Auschwitz deportiert. Der Säugling kam in ein Kinderheim in Wien und überlebte die Zeit des Nationalsozialismus unter dem Decknamen Robert Soel. Sein Vater wurde in Dachau ermordet, seine Mutter im Jahr 1945 von Auschwitz nach Ravensbrück transportiert. Als kommunistische Widerstandskämpferin, die zusätzlich von den Nationalsozialisten als Jüdin verfolgt wurde, waren ihre Überlebenschancen gering. Doch konnte sich Gerty Schindel, unterstützt von Kolleginnen der internationalen Widerstandsorganisation, im Lager über Wochen hinweg versteckt halten und so der Ermordung entgehen. In einem schwedischen Rot-Kreuz-Transport entkam sie schließlich aus dem KZ Ravensbrück. Gerty Schindel war zeit ihres Lebens überzeugte Kommunistin. Zur Jüdin wurde sie erst „von Hitler gemacht“, wie ihr Sohn berichtete.

Nach dem Krieg heiratete sie den Spanienkämpfer Georg Nürnberger und war bis zu ihrer Pensionierung in der internationalen Abteilung der KPÖ beschäftigt. Sie starb 2008 im Alter von 95 Jahren in einem Wiener Altersheim.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 117. Link
Schindel-Nürnberger: Für den Frieden kämpfen ist das Wichtigste, in: Litzka (Hg.): Treffpunkt Maimonides Zentrum, Wien/Köln/Weimar 2006, 151–162.
Schindel, Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Österreich 1938–1945, in: DÖW, Institut für Wissenschaft und Kunst (Hg.): Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten, Bd. 1, Arbeiterbewegung, Wien/München 1985, 246–248.


Hermine Schleicher


Hermine Schleicher mit ihrer Tochter Hermine kurz vor ihrer Verhaftung 1943.
Bildquelle: Privatarchiv Gaigg

Hermine Schleicher wurde am 25. Dezember 1905 in Ebensee am Traunsee geboren. Sie wuchs in einem sozialdemokratischen Elternhaus auf, das sie in ihren politischen Ansichten prägte. Ihr Vater engagierte sich als Kassier für die Gewerkschaft, beruflich war er als Hüttenwirt tätig. Über Hermine Schleichers Ausbildung und Berufsleben ist nur bekannt, dass sie zwischenzeitlich in der Weberei Ebensee beschäftigt war. Mit 23 Jahren brachte sie ledig eine Tochter zur Welt.

Hermine Schleicher interessierte sich für Politik und war im kommunistischen Widerstand aktiv. Zum einen unterstützte sie Zwangsarbeiter*innen und Gesinnungsgenoss*innen. Sie sammelte Geld für die illegale „Rote Hilfe“. Das Hilfswerk „Rote Hilfe“ war in Anlehnung an die „Internationale Rote Hilfe“ in den 1920er Jahren in Österreich gegründet worden und unterstützte politisch Verfolgte und ihre Angehörigen. Auch n half sie ebenso. Zum anderen misstraute sie der Propaganda der Nationalsozialisten und hörte verbotenerweise gemeinsam mit anderen NS-Gegner*innen regelmäßig englische und russische Radiosender ab. Diese Nachrichten erzählte sie an andere weiter. Darüber hinaus vervielfältigte, versteckte und verteilte sie anti-nationalsozialistische Flugblätter. Auf einem stand beispielsweise: „Was brauchen wir Mehl, was brauchen wir Butter, unsere Männer werden Kanonenfutter!“

Am 19. Mai 1943 wurde Hermine Schleicher aufgrund ihrer Widerstandstätigkeiten gegen das NS-Regime das erste Mal verhaftet. Drei Wochen später, am 8. Juni, wurde sie wieder entlassen. Die zweite Verhaftung folgte jedoch bald und am 23. August wurde sie als sogenannter „politischer“ Häftling ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Einige Briefe, die sie während der Inhaftierung geschrieben hat, sind erhalten. Darin sorgt sie sich um ihre Familie und bittet um Lebensmittel wegen der schlechten Versorgung im KZ. Ihre letzte Nachricht stammt vom März 1945. Nach der Befreiung des KZ Ravensbrück kehrte sie nicht nach Hause zurück. Eine Mitinhaftierte sagte aus, dass sie im April 1945 nach einer Fehlbehandlung nicht mehr arbeitsfähig war und zum KZ-Verwaltungsgebäude befohlen worden war. Es wird angenommen, dass sie dort ermordet wurde. Nähere Umstände sind nicht bekannt.

In Ebensee wurde im Jahr 2000 eine Straße nach Hermine Schleicher benannt.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 54. Link
AStL, Nachlass Peter Kammerstätter, Interview mit Hermine Stumer.
KPÖ Oberösterreich, Hermine Schleicher (1905–1945), ooe.kpoe.at/article.php/20140215111838474

Herta Schweiger

Porträt Herta Schweiger, Datum unbekannt.
Bildquelle: AStL

Die aus Steyr stammende Herta Schweiger (geb. 1916) war Teil einer kommunistischen Widerstandsorganisation in den Steyr-Werken, wo sie als Rot-Kreuz-Schwester arbeitete. Sie war sozialdemokratisch sozialisiert, Mitglied der Sozialistische Arbeiterjugend sowie der Naturfreunde, deren Obmann ihr Vater war. Durch ihre berufliche Tätigkeit hatte sie Zugang zu Medikamenten, die über die Widerstandsgruppe an KZ-Häftlinge weitergeleitet wurden. Zudem sammelte Herta Schweiger auch Gelder für die Angehörigen von Inhaftierten im Rahmen der „Roten Hilfe“. Das Hilfswerk „Rote Hilfe“ war in Anlehnung an die „Internationale Rote Hilfe“ in den 1920er Jahren in Österreich gegründet worden und unterstützte illegal politisch Verfolgte und ihre Angehörigen.

Aufgrund einer Denunziation wurde sie schließlich von der Gestapo verhaftet. Ihre Festnahme löste eine familiäre Tragödie aus. Um seine Tochter zu entlasten, übernahm ihr Vater Hans Schweiger in einem Brief an die Gestapo die Verantwortung für das Engagement seiner Tochter in der „Roten Hilfe“. Er rechnete daraufhin fix mit seiner eigenen Verhaftung und nahm sich Anfang Februar 1942 das Leben. Doch wie aus Zeitzeugenberichten hervorgeht, war Herta Schweiger nicht wegen ihres Einsatzes für die „Rote Hilfe“ verhaftet worden, sondern wegen „Feindbegünstigung“. Möglicherweise waren regimekritische Briefe an ihren Verlobten abgefangen worden. Monatelange Misshandlungen und die schlechten Haftbedingungen setzten Herta Schweiger gesundheitlich sehr zu, sie verstarb am 6. August 1942 in der Haft in Linz.

Bereits seit Juni 1945 trägt eine Straße in ihrem Heimatort Steyr ihren Namen, seit 2019 erinnert dort eine Gedenktafel an sie.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 83. Link
Korotin: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen, Bd. 3: P–Z, Wien/München 2016, 3026–3027.


Margarethe Smolan

Die Ursulinenschwester Kamilla (Margarethe Smolan), Datum unbekannt.
Bildquelle: AStL

Margarethe Smolan (geb. 1907) besuchte in Wien eine Offizierstöchterschule, bevor sie mit ihren Eltern in den frühen 1920er-Jahren nach Linz zog. Dort besuchte sie zuerst die Bürgerschule, dann die Haushaltungsschule der Ursulinen. Anschließend war sie als Kanzlistin tätig, wurde Schneiderin und begann bei den Barmherzigen Schwestern in Linz eine Ausbildung zur Krankenpflegerin. 1932 trat sie schließlich als Ordensschwester Kamilla dem Linzer Ursulinenorden bei.

Im Dezember 1940 wurde Smolan dabei beobachtet, wie sie aus einem Fenster des Ursulinenklosters ein Paket warf, das ein französischer Kriegsgefangener auffing. In dem Paket befanden sich selbst gestrickte Socken. Smolan habe Mitleid mit den Kriegsgefangenen bekommen, die an einem „nasskalten“ Wintertag vor ihrem Fenster arbeiten mussten: „Ein Kriegsgefangener machte mir hierbei den Eindruck, dass ihm sehr kalt war. Und in dieser Verfassung habe ich mich aus reinem menschlichen Mitleid entschlossen, das für mich bestimmte Paar Schafwollstrümpfe in ein Zeitungspapier einzuwickeln und zum Fenster hinaus diesen Kriegsgefangenen zuzuwerfen.“

Sie gab an, nicht gewusst zu haben, dass ihre Handlung verboten war, da sie dachte, nur das Sprechen mit Kriegsgefangenen sei ein Verstoß. Das Gericht verurteilte sie zu vier Monaten Gefängnis und begründete die Entscheidung wie folgt: „Durch die Beweggründe ihres Vorgehens, nämlich das Erbarmen mit dem Kriegsgefangenen wird ihre Tat, die an sich schon gegen die Ehre der deutschen Frau verstösst [sic!], nicht gerechtfertigt, sondern im Gegenteil deren Vorsätzlichkeit bestätigt.“


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 72. Link
DÖW, 19.291/32; LG Linz, 6 E Vr 120/41.


Anni Stadtegger

 

Anni (Anna) Stadtegger aus Wels und ihr Mann Egmund spielten eine zentrale Rolle im illegalen Netzwerk der Zeugen Jehovas in Oberösterreich während der NS-Zeit. Die Glaubensvorstellungen und -praktiken der Zeugen Jehovas standen im starken Widerspruch zur NS-Ideologie: Sie lehnten das „Führerprinzip“ ab, verweigerten den Hitlergruß, wahrten Neutralität in politischen Fragen und verweigerten den Wehrdienst sowie alle anderen Tätigkeiten, die direkt oder indirekt dem Krieg dienten. Dadurch kamen sie zwangsläufig mit den Gesetzen zur sogenannten „Wehrkraftzersetzung“ bzw. der „Heimtücke“ in Konflikt.

Das Ehepaar Stadtegger beherbergte eine Zeit lang den aus Berlin geflüchteten Ernst Bojanowski, der ab 1939 Schriften in ganz Österreich verteilte. Er machte Anni Stadtegger mit einer von ihm erfundenen Geheimschrift vertraut, um unentdeckt kommunizieren zu können. In den ausgetauschten Nachrichten ging es beispielsweise um die Verbreitung der verbotenen Zeitschrift „Der Wachturm“.

Am 4. April 1940, am Tag der jährlichen „Abendmahlsfeier“ der Zeugen Jehovas, kam es in ganz Oberösterreich zu einer Reihe von Verhaftungen. Ein Gestapomann hatte sich das Vertrauen mehrerer Zeug*innen Jehovas erschlichen und die Versammlungen wurden von der Gestapo gestürmt. Daraufhin folgte im Dezember 1940 am Landgericht in Linz ein Prozess gegen eine Reihe von Mitgliedern der Zeugen Jehovas. Darunter war auch Edmund Stadtegger, der zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, die Haft jedoch nicht überlebte.

Auch Anni Stadtegger wurde verhaftet und in das KZ Ravensbrück eingeliefert. Sie starb dort im Jahr 1942.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 104. Link
Gugglberger: „Versuche, anständig zu bleiben“ – Widerstand und Verfolgung von Frauen im Reichsgau Oberdonau, in: Hauch (Hg.): Frauen im Reichsgau Oberdonau. Geschlechtsspezifische Bruchlinien im Nationalsozialismus (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 5), Linz 2006, 281–344.
DÖW (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich, Bd.2, Wien 1982, 206–208.

Anna Strasser

Anna Strasser, Datum unbekannt.
Bildquelle: DÖW

Anna Strasser (geb. 1921) wuchs als zwölftes Kind einer katholisch geprägten Familie in St. Valentin auf. Sie verbrachte ihre Lehrzeit in Linz und erlernte das Handelsgewerbe im Familienbetrieb. Im April 1939, im Alter von 18 Jahren, nahm sie eine Stelle in der Landwirtschaftlichen Lagerhausgenossenschaft in Mauthausen an. Das Genossenschaftsgebäude befand sich direkt neben dem Bahnhof, an dem Gefangenentransporte des nahegelegenen Konzentrationslagers Mauthausen ankamen. Ihr Chef, der Lagerhausleiter Franz Winklehner ließ Häftlingen aus Mitleid Lebensmittel, Zigaretten und Geldbeträge zukommen. Im Sommer 1940 wurde er dabei beobachtet und nach monatelanger Haft in Linz ins KZ Dachau gebracht. Dort wurde er Anfang 1941 ermordet.

Sein Vorbild war prägend für Anna Strasser. Sie versuchte in der Folge ihrerseits Häftlinge zu unterstützen und ließ bei Spaziergängen Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände für die Häftlinge zu Boden fallen. Sie scheute sich auch nicht gegenüber Wachmannschaften die unmenschliche Behandlung von Häftlingen zu kritisieren.

Auf ihrer Suche nach Gleichgesinnten lernte sie bei Heimabenden der katholischen Jugend in St. Valentin schließlich Klaus Lösch und Hans Wieser kennen. Von da an suchten die drei gemeinsam nach Möglichkeiten, Verfolgten des NS-Regimes zu helfen.

Im Jahr 1942 wurde Anna Strasser als Finanzbuchhalterin in die Nibelungenwerke in St. Valentin dienstverpflichtet. Erneut beobachtete sie die Gewalt gegenüber Häftlingen, die dort zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden. Sie erlitt einen psychischen Zusammenbruch und konnte in Folge nur noch halbtags arbeiten. Nachmittags half sie nun im Geschäft der Familie aus, kümmerte sich um den Haushalt und widmete ihre Zeit vermehrt der Widerstandstätigkeit. Sie besorgte für jüdische Familien aus Ungarn, die im Lager Windberg interniert waren, Medikamente und versuchte, weitere Personen für Hilfstätigkeiten zu gewinnen.

Im September 1944 wurde Anna Strasser von der Gestapo verhaftet und vom Landgericht St. Pölten nach tagelanger Folter „wegen Hochverrates auf Kriegsdauer zu Konzentrationslager verurteilt“. Ihr Transport in ein Konzentrationslager wurde aufgrund von Bombenangriffen abgebrochen. Sie wurde schließlich in das Arbeitserziehungslager Oberlanzendorf in Niederösterreich verlegt, wo sie schwer an Typhus erkrankte. Sie überlebte die Auflösung des Lagers und konnte es am 1. April 1945 verlassen.

1982 veröffentlichte Anna Strasser ihre Erlebnisse in einem „Tatsachenbericht“. Ihr Engagement im Widerstand wurde schließlich ab 1999 mehrfach gewürdigt: sie erhielt die Ehrenbürgerschaft von St. Valentin, ein Platz trägt seit 2000 ihren Namen und nach ihrem Tod 2010 wurde eine Gedenktafel an ihrem Geburtshaus angebracht. Damit ist sie eine der wenigen widerständigen Frauen, die auch im öffentlichen Gedenken einen Platz erhalten haben.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 32. Link
Strasser, Tatsachenbericht, St. Valentin 1982.


Monica Taylor

 

Monica Taylor war gemeinsam mit Edith Hauer-Frischmuth (geb. 1913) Mitglied einer Widerstandsorganisation in Wien. Die Mitglieder versuchten Juden und Jüdinnen mit gefälschten Papieren, die Flucht ins Ausland zu ermöglichen. Aufgrund ihres jüdischen Vaters galt Monica Taylor laut NS-Rassengesetzen als Halb-Jüdin“ und kam bald ins Visier der NS-Behörden. Mithilfe von Edith Hauer-Frischmuth konnte Monica Taylor 1942 ihrer Verhaftung entgehen. Hauer-Frischmuth war mit einem Arzt verheiratet und war Mutter von drei Kindern. Sie organisierte Monica Taylor verschiedene Verstecke in Wien und Umgebung, so dass sie der NS-Verfolgung entkommen konnte. Hauer-Frischmuth zog mit ihren Kindern 1944 zur Familie ihres Mannes nach Altaussee. Auch dort nutzte sie ihre Möglichkeiten, um verfolgte Menschen zu unterstützten bzw. um das NS-Regime zu schwächen. 1999 wurde Hauer-Frischmuth für ihren Einsatz zur Rettung von jüdischen Verfolgten mit dem Titel „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 112. Link
Kalss: Edith Hauer-Frischmuth. Eine ruhmlose Heldin, in: Bahr (Hg.): Fur Fuhrer und Vaterland. Das Salzkammergut von 1938–1945, 88–130.

Gisela Tschofenig

Gisela Tschofenig mit ihrem Sohn Hermann, ca. 1942.
Bildquelle: Privatarchiv Kain

Gisela Tschofenig (geb. 1917), geborene Taurer, stammte aus Villach, zog aber 1936 mit ihren Eltern nach Linz. Die Eltern waren überzeugte Sozialdemokrat*innen und auch Gisela war Mitglied bei der Sozialistischen Arbeiterjugend, später beim Kommunistischen Jugendverband (KJV). Gemeinsam mit ihrer Freundin Margarethe Müller ging sie 1937 als Kindermädchen nach Lyon. Die beiden Frauen versuchten weiter nach Spanien zu reisen, um dort im Spanischen Bürgerkrieg den Kampf gegen den Franco-Faschismus zu unterstützen. Dies gelang den Freundinnen jedoch nicht. Nach der Rückkehr nach Linz im April 1938 arbeitete Gisela Taurer als Kassierin bei der Reichsbahn, bis sie im Jahr 1939 nach Belgien zu ihrem Jugendfreund Josef Tschofenig zog, der als Aktivist des KJVs verfolgt wurde und nach Antwerpen emigriert war. Die beiden verband neben ihrer jahrelangen engen Freundschaft auch die gemeinsame kommunistische Tätigkeit in Villach in den 1930er-Jahren. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien im Mai 1940 wurde Josef Tschofenig verhaftet und in das KZ Dachau deportiert. Gisela Taurer war zu diesem Zeitpunkt schwanger und kehrte nach Linz zurück, wo sie im Dezember 1940 den gemeinsamen Sohn zur Welt brachte.

Von diesem Zeitpunkt an übernahm sie wichtige Aufgaben in der Widerstandsgruppe um Josef Teufl, wie das Abtippen von Programmen und Texten sowie die Erledigung von Kurierdiensten. Aufgrund ihrer Französischkenntnisse wurde sie außerdem damit beauftragt, Kontakt zu Zwangsarbeiter*innen in den Hermann-Göring-Werken (HGW) herzustellen. Diese Aufgabe führte sie gemeinsam mit ihrer Freundin Margarethe Müller aus.

Im Juni 1944 erhielt Gisela Taurer die Genehmigung, Josef Tschofenig im KZ Dachau zu heiraten. Die Hochzeit eines KZ-Häftlings am Standesamt Dachau war eine absolute Ausnahme. Durch die Heirat erhoffte sich Gisela Tschofenig die Freilassung ihres Ehemanns zu erwirken, sie stellte mehrere entsprechende Anträge. Aus Sorge verhaftet zu werden, verließ Tschofenig Linz und zog zu Bekannten nach Kärnten. Dort wurde sie jedoch im September 1944, ungefähr zur gleichen Zeit wie andere Kommunist*innen in Linz, festgenommen und in das Frauengefängnis Kaplanhof in Linz überstellt. Ihr Sohn kam bei ihrer in Linz lebenden Familie unter, die Sorgen um ihn drückte sie immer wieder in Postkarten und aus dem Gefängnis geschmuggelten Briefen aus.

Gisela Tschofenig blieb bei der Bombardierung des Frauengefängnisses Kaplanhof Ende März 1945 unverletzt. Gemeinsam mit den anderen ca. 60 überlebenden Frauen wurde sie in das Arbeitserziehungslager Schörgenhub im Süden von Linz verlegt. Am 27. April 1945, nur wenige Tage vor der Befreiung des Lagers, wurde sie dort gemeinsam mit der Welserin Theresia Höllermann und einer unbekannten Wiener Jüdin hingerichtet. Die ermordeten Frauen wurden in einer Grube verscharrt, die zuvor von männlichen Gefangenen ausgehoben worden war. Die Leichname wurden nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes von Verwandten exhumiert und bestattet. Seit 2006 ist eine Wohnstraße in Linz-Ebelsberg nach Gisela Tschofenig benannt.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021. Link
Gugglberger: „Versuche, anständig zu bleiben“ – Widerstand und Verfolgung von Frauen im Reichsgau Oberdonau, in: Hauch (Hg.): Frauen im Reichsgau Oberdonau. Geschlechtsspezifische Bruchlinien im Nationalsozialismus (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 5), Linz 2006, 281–344.
AStL, Nachlass Peter Kammerstätter.


Name unbekannt

 

Sehr wenig ist über die als Jüdin verfolgte Frau bekannt, die sich 1938 im Klostergarten des Linzer Kapuzinerklosters verstecken konnte. Nicht einmal ihr Name ist überliefert. Angehörige des Ordens verhalfen der Frau zur Flucht in die Schweiz.

Menschen, die aus ‚rassischen‘ oder anderen Gründen vom NS-Regime systematisch verfolgt wurden, hatten nur wenig Möglichkeiten, sich der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik zu entziehen. Trotzdem widersetzten sich Verfolgte den NS-Anordnungen. Zu dieser spezifischen Form von Widerstand zählten beispielsweise das Überschreiten von Ausgehzeiten oder der Besuch von Kino- und Theatervorführungen trotz des Verbots für Jüdinnen und Juden. Auch Flucht und Untertauchen, also Handlungen, die das bloße Überleben von Verfolgten ermöglichten, können als Widerstand gewertet werden.

Die vielfältigen Widerstandshandlungen von Verfolgten fanden erst in den letzten Jahren Beachtung, lange dominierte die Beschreibung von Jüdinnen und Juden als passive Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Diese Darstellung ignorierte, dass auch Jüdinnen und Juden in Widerstandsgruppen aktiv waren bzw. sich aktiv gegen die Verfolgung wehrten.

Vielfach blieben diese Fälle undokumentiert und damit für die Nachwelt unsichtbar.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 112. Link
John: „Bereits heute schon ganz judenfrei ...“ Die jüdische Bevölkerung von Linz und der Nationalsozialismus, in: Mayrhofer, Schuster (Hg.), Nationalsozialismus in Linz, Bd. 2., Linz 2001, 1311–1406.

Pauline Uttenthaler

Unterschrift von Pauline Uttenthaler, 1953.
Bildquelle: OÖLA

Pauline Uttenthaler (geb. 1901 Brunnmayr) führte gemeinsam mit ihrem Mann Max eine Land- und Gastwirtschaft in Eferding. Kurz nach dem Machtergreifung durch das NS-Regime wurde ihr Mann aufgrund von regimewidrigen Äußerungen angezeigt. Nach dem Krieg gab Pauline Uttenthaler gegenüber der Opferfürsorgestelle an, dass er von vier SS-Männern durch Eferding getrieben worden sei, um den Hals eine Tafel mit der Aufschrift: „Zehn Tschechen sind mir lieber wie ein Deutscher, hat dieses Schwein gesagt“.

Im Jänner 1942 wurde er in die Wehrmacht einberufen, und Pauline Uttenthaler musste den landwirtschaftlichen Betrieb sowie das Gasthaus alleine weiterführen. Als ihre Gastwirtschaft ein Jahr später behördlich gesperrt wurde, kam sie in existenzielle Not und ließ im September desselben Jahres ohne Genehmigung ein Schwein schlachten. Da sie bereits im Juni eine genehmigte Schlachtung eines Schweines vorgenommen hatte, aus dem sie Selchfleisch herstellte und dieses ihrem Mann sowie zwei anderen Verwandten an die Front geschickt hatte, wäre ihr erst im Dezember 1943 eine weitere Schlachtung zugestanden. Sie setzte sich über das Verbot hinweg, da sie mit dem Schlachtgut ihre drei Kinder und ihre Dienstboten verpflegen wollte. Der Fleischer hegte Verdacht, und Pauline Uttenthaler wurde wegen eines Verstoßes gegen die Kriegswirtschaftsverordnung angeklagt.

Vor dem Sondergericht in Linz wurde sie am 4. November 1944 zu acht Monaten Gefängnis verurteilt, ihre Kinder im Alter von 10, 12 und 15 Jahren musste sie zurücklassen. Im März 1945 hatte Pauline Uttenthaler etwa die Hälfte ihrer Strafe verbüßt und suchte mithilfe des Bürgermeisters um einen Strafnachlass an. Sie begründete ihr Ansuchen damit, dass ihre Arbeitskraft dringend für die Frühjahrsarbeiten am Hof gebraucht wurde. Am 21. März 1945 wurde Uttenthalers Strafrest bedingt ausgesetzt und sie konnte die Haftanstalt Wels verlassen. Kurz darauf erhielt sie die Nachricht, dass ihr Mann gefallen war.

Im Jahr 1953 bemühte sich Pauline Uttenthaler um die Ausstellung eines Opferausweises. Das Ansuchen wurde jedoch abgelehnt, da die gesetzliche Antragsfrist Ende 1952 abgelaufen war.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 76. Link
OÖLA, Opferfürsorge, Sch. 27, 41/1945; 1Js1039/43, KLs 289/43.


Maria Wagner

 

Maria Wagner wurde als fünftes von neun Kindern 1936 in Ebensee geboren. Wie viele Kinder ihrer Schulklasse war sie von den rigiden Vorgaben und Abläufen des NS-Regimes nicht begeistert und pflegte anstatt „Heil Hitler“ mit dem Spruch „Drei Liter“ zu grüßen. An dieses bewusste Aufbegehren gegen die nationalsozialistischen Anordnungen erinnerte sie sich in einem Interview im Jahr 2003.

Maria Wagner hinkte als Folge einer Hüftluxation und war als Kind in ihrer körperlichen Verfassung eher schwächlich und im Vergleich zu ihrer Altersgruppe deutlich entwicklungsverzögert. Nichtsdestotrotz war sie für ihr Alter sehr gut gebildet. Sie bezog ihr Wissen vor allem aus Büchern, die ihr Vater angekauft hatte. Der Magazineur legte viel Wert auf eine gute Bildung seiner Kinder. Maria Wagner beschrieb ihren Vater als „tendenziell sozialdemokratisch“.

In dem Interview spricht sie auch über die Widerständigkeit der Mutter, die sich mehrfach gegen NS-Vorgaben auflehnte und sich kritisch bzw. abwertend über das Regime äußerte. Nachdem der ältere Bruder mit der Hitlerjugend bis spät in die Nacht bei Marschierübungen mitmachen musste, beschwerte sie sich beim Jugendleiter, dass die Buben ins Bett gehörten und der Krieg sowieso schon verloren wäre. Diese Aussagen brachten ihr einen Rapport auf der Gendarmerie ein und die Androhung einer KZ-Strafe. Zum Termin beim Gendarmerieposten erschien sie mit dem jüngsten Baby im Arm und einigen der kleineren Kinder. Sie legte das Mutterkreuz vor den Beamten und forderte ihn auf, sie mitsamt den Kindern in ein KZ zu schicken. Sie kam daraufhin mit einer Verwarnung davon. Laut Maria Wagner, konnte ihre Mutter über Ungerechtigkeit nicht schweigen, und nahm das Risiko einer Denunziation oder Verhaftung in Kauf.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 89. Link
Transkript Interview mit Maria Wagner, 4. 4. 2003.

Gertrude Wampl

Porträt Gertrude Wampl
Fotoquelle: Privatarchiv Kirchmayr

Gertrude Wampl (später verehelichte Pfatschbacher) wurde 1921 in Wolfsegg im Hausruckviertel geboren. Bald darauf übersiedelte die Familie in die Landeshauptstadt Linz. Gertrude besuchte dort die Volks- und Hauptschule und schloss eine Handelsschulausbildung ab. In einem Interview im Jahr 2003 gab Gertrude Wampl an, dass ihre Eltern „unpolitisch“ gewesen seien, aber dem NS-Regime mit Skepsis gegenübergestanden waren. Während der „Anschluss“-Feierlichkeiten 1938 hielt sich die ganze Familie zurück. 1939 verließ Gertrude Wampl Linz und arbeitete in Wien für den Reichsnährstand. Ihre Eltern vermissten sie sehr, weshalb sie nach Linz zurückkehrte und ab 1940 als Sekretärin für Oskar Hinterleitner in der Gauwirtschaftskammer zu arbeiten begann.

1942 schrieb sie sich für Abendkurse an der Kunstgewerbeschule ein und lernte dort ihren späteren Mann Karl Pfatschbacher kennen. Da dieser nach der NS-Rassenideologie als „Mischling 1. Grades“, also als ein sogenannter „Halbjude“ galt, wurde die Verbindung nicht von allen toleriert. Ihr Chef Oskar Hinterleitner, Zuständiger für „Arisierungen“ in „Oberdonau“, forderte sie auf, die Verbindung zu lösen. Gertrude Wampl ließ sich davon nicht beeindrucken und hielt an der Verbindung mit Karl Pfatschbacher fest.

Eines Tages stieß sie bei ihrer Arbeit in der Gauwirtschaftskammer auf eine Liste mit Namen von Linzern, die als „Halbjuden“ kategorisiert waren. Sie warnte daraufhin ihren Freund und andere Bekannte vor einer möglichen Verhaftung. Kurz darauf wurden viele Mitglieder einer Gruppe anti-nationalsozialistisch eingestellter Personen, die sich regelmäßig getroffen hatten, verhaftet. Auch Karl Pfatschbacher war immer wieder zu diesen Treffen gegangen. Um der Verhaftung zu entgehen, versteckte Gertrude Wampl ihren späteren Mann in der Wohnung ihrer Eltern. Einer späteren Razzia der Gestapo konnte er entgehen, da der Gestapo-Offizier sein ehemaliger Fußballkollege gewesen war und ihn unbehelligt ließ.

Nach 1945 heirateten Karl und Gertrude Pfatschbacher und eröffneten zwei Kunsthandlungen in Linz und in Wien. Zeit ihres Lebens war Gertrude Pfatschbacher auch ehrenamtlich für den Bund jüdischer Verfolgter tätig. Sie verstarb 2009 im Alter von 88 Jahren.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 74. Link
Kirchmayr: „Ich hab’ einen Menschen nicht nach seiner Rasse beurteilt…“ Eine Lebens- und Liebesgeschichte aus dem nationalsozialistischen Linz, in: Hauch (Hg.): Frauen im Reichsgau Oberdonau. Geschlechtsspezifische Bruchlinien im Nationalsozialismus (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 5), Linz 2006, 271-280.


Karoline Zemann

Hochzeitsbild von Karoline und Anton Zemann, 1923.
Bildquelle: Schlossmuseum Freistadt

Karoline Zemann wurde am 8.6.1895 in Wien als zweite Tochter des Porträtsmalers Karl Buchta und seiner Frau Maria (geb. Künstner) geboren. In ihrer Jugend in Wien trat sie als Sängerin auf. 1923 heiratete sie den Steinmetzmeister Anton Zemann aus Freistadt, der später von 1926 bis 1938 und von 1945 bis 1949 Bürgermeister von Freistadt war. Anton Zemann war dem bürgerlichen Lager zuzuordnen und während des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes Mitglied der Vaterländischen Front. Sehr wahrscheinlich kann auch Karoline Zemann dem bürgerlichen Lager zugeordnet werden, über eine Parteimitgliedschaft ist nichts bekannt.

Im Laufe des Jahres 1944 organisierte Ludwig Hermentin, Geschäftsführer der Landeskrankenkasse Freistadt, in Freistadt ein Widerstandsnetzwerk bestehend aus Bürger*innen unterschiedlicher politischer Richtungen. Hermentin selbst war bis 1934 Sozialdemokrat, trat aber danach der Vaterländischen Front bei. Die Gruppe unter den Namen „Freistädter Gruppe“ oder „Neues freies Österreich“ setzte sich zum Ziel, einen Beitrag zur Wiederherstellung eines freien, unabhängigen Österreich zu leisten.

Während die Männer organisatorische Vorbereitungen für den erwarteten Einmarsch der alliierten Truppen trafen, Spendengelder sammelten und Kurierdienste verrichteten, beteiligten sich die Frauen vor allem mit gespendeten Geldbeträgen an den Widerstandsaktivitäten. Im Spätsommer 1944 gelang es jedoch der Gestapo einen Spitzel in die Gruppe einzuschleusen, es folgte eine umfangreiche Verhaftungswelle im Oktober. Insgesamt 52 mutmaßliche Mitglieder der Gruppe wurden festgenommen. Darunter befanden sich auch 13 Frauen, die alle im Frauengefängnis Kaplanhof inhaftiert wurden. Eine von ihnen war Karoline Zemann, sie wurde wegen Geldspenden an die Gruppe um Ludwig Hermentin angeklagt. Ende Februar 1945 wurde Zemann vor dem Volksgerichtshof in Linz wegen „Vorbereitung“ bzw. „Beihilfe zum Hochverrat und Feindbegünstigung“ zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Von Februar bis April 1945 war sie daraufhin im Linzer Landgericht inhaftiert, Mitte April wurde sie in das Gefangenenhaus in Wels überstellt und dort am 4. Mai 1945 befreit.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 96. Link
Rappersberger: Die Widerstandsgruppe „Neues freies Österreich“ in Freistadt 1944/45 und ihr Schicksal, in: Freistädter Geschichtsblätter 11 (1997), Das Schicksalsjahr 1945 in Freistadt, 2.Teil.


Cäcilia Zinner

 

Cäcilia Zinner wurde am 15. November 1896 in Großraming im Bezirk Steyr als Tochter von Lorenz und Juliane Schnitzler geboren. Sie war lange Zeit in Linz wohnhaft, zuletzt in der Steingasse 45.

Vor allem, nachdem ihr Mann 1944 von den Nationalsozialisten hingerichtet worden war, trat Cäcilia Zinner aktiv gegen das nationalsozialistische Regime auf. In diesem Jahr bildete sich um den desertierten Kommunisten Ludwig Telfner die Widerstandsgruppe „Münichreiter“, welche nach Karl Münichreiter benannt wurde. Dieser war als Mitglied des Republikanischen Schutzbunds nach den Feburarkämpfen 1934 in Wien hingerichtet worden. Durch ihre Freundin Friederike Buchacher lernte Cäcilia Zinner im März 1944 Ludwig Telfner kennen und trat der Gruppe bei.

Cäcilia Zinner war Schneiderin von Beruf und fertigte aus rotem Stoff Armbinden, Krawatten und Blusen für die Gruppe an. Teilweise waren kommunistische Symbole darauf zu sehen. Zusätzlich zahlte sie regelmäßig Mitgliedsbeiträge und rekrutierte einen Bekannten für die Widerstandsgruppe.

Noch im August 1944 wurde die Widerstandsgruppe verraten, was die Verhaftung zahlreicher Mitglieder durch die Gestapo zur Folge hatte. Am 21. Dezember wurden einige Mitglieder, darunter Cäcilia Zinner wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ bzw. „kommunistischen Hochverrats“ angeklagt Der folgende Gerichtsprozess im Februar 1945 wurde auch als „Freistädter Prozess“ bezeichnet, da neben den Angeklagten der Gruppe „Münichreiter“ auch einige Mitglieder des Widerstandsnetzwerks „Freistädter Gruppe“ (auch als „Neues Freies Österreich“ bekannt) auf der Anklagebank saßen. Bei diesem Prozess wurden Cäcilia Zinner zusätzlich zu ihren Aktivitäten für Ludwig Telfner erschwerend „wehrkraftzersetzende Äußerungen“ zur Last gelegt. So hätte sie das Attentat auf Adolf Hitler gutgeheißen. Während über andere Mitglieder der Gruppe „Münichreiter“ Haftstrafen verhängt wurden, wurde Cäcilia Zinner gemeinsam mit Ludwig Telfner, Karl Hehenberger und Josef Grillmayr zum Tode verurteilt. Ende April 1945 wurde vom Reichsjustizministerium in Berlin die Hinrichtung angeordnet. Ein Gnadengesuch der Verurteilten wurde ignoriert. Am 1. Mai 1945, vier Tage nach der Bildung einer provisorischen Regierung in Wien, wurden die 13 Verurteilten, darunter die zwei Frauen Cäcilia Zinner und Theresia Erhart am Truppenübungsplatz in Treffling bei Linz erschossen. In Treffling erinnert heute ein Gedenkstein an die Ermordung der Widerstandskämpfer.


Quellen:
Frei, Gugglberger, Wachter: Widerstand und Zivilcourage. Frauen in Oberösterreich gegen das NS-Regime 1938 – 1945, Linz 2021, 87. —> link
Gugglberger: „Versuche, anständig zu bleiben“ – Widerstand und Verfolgung von Frauen im Reichsgau Oberdonau, in: Hauch (Hg.): Frauen im Reichsgau Oberdonau. Geschlechtsspezifische Bruchlinien im Nationalsozialismus (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 5), Linz 2006, 281–344.
Ganglmair: Widerstand und Verfolgung in Linz in der NS-Zeit, in: Mayrhofer, Schuster (Hg.):
Nationalsozialismus in Linz, Bd. 2, Linz 2001, 1407–1466.